
Wols (Alfred Otto Wolfgang Schulze)
Komposition, 1947
Mit dem Pinsel gemalt, aus dem Tubenhals gedrückt, durch das Messer verkratzt und mit Terpentin so verdünnt, dass sie quer über das Bild läuft: Die Ölfarbe setzte Wols für seine Zeit schockierend experimentell ein, jenseits aller handwerklichen Konventionen. Im Wechselspiel zwischen spontaner Eingebung und kontrolliertem Vollzug löste der deutsch-französische Maler Formen im differenzierten Farbrelief auf. Oberflächen entstanden, die an Naturstrukturen erinnern. Dabei entwickelte Wols klare Kompositionsprinzipien und hielt die Verbindung zum Realen gekonnt in der Schwebe: Ist hier ein Kopf im Erscheinen begriffen? Von einem Menschen oder einem Tier? Der ehemalige Porträtfotograf ließ nicht das Dargestellte, sondern den Darstellungs- und Wahrnehmungsprozess des Bildes selbst bedeutsam werden. Er zählt damit zu den Begründern der Art informel, die dem Betrachter nach dem Terror des Zweiten Weltkriegs eine erweiterte Form der ästhetischen Erfahrung eröffnete. Diese ist grundlegend bis in weite Teilen der heutigen Kunst.
Annabelle Görgen