Willi Baumeister
Bluxao V, 1955
Vor einem blauen Grund scheint sich in Willi Baumeisters Gemälde Bluxao V eine tiefschwarze Spirale zu drehen. Spitz zulaufende Flächen in leuchtendem Rot und Gelb bewegen sich um diesen von Schwarz umrahmten Strudel herum. Die nach außen gerichteten Formen könnten entweder von einem Sog in der Mitte angezogen oder gleichermaßen aus ihr hervorgestoßen werden. Unumstritten ist die Dynamik, die das Gemälde verkörpert. Die Grundfarben in Kombination mit Weiß und Schwarz dominieren das Bild, nur wenige grüne Flächen bilden einen Komplementärkontrast zum Rot. Der matte Farbauftrag und die gleichzeitig bewegte Oberfläche der Malerei, die aus Öl, Kunstharz und Tempera besteht, geben dem Gemälde eine nach Lichteinfall stark variierende Tiefenwirkung. Baumeister galt im Nachkriegsdeutschland als Verfechter der Abstraktion; er publizierte die vielbeachtete Schrift Das Unbekannte in der Kunst und unterrichtete an der Stuttgarter Kunstakademie und der Frankfurter Städelschule. In den letzten Monaten seines Lebens malte er die Bluxao-Serie in neun Bildern; die fünfte Variante befindet sich seit 1961 im Besitz der Hamburger Kunsthalle. Baumeister spielte gern mit dem Klang und der Aussprache seiner erfundenen Werktitel. Das »u« in »Bluxao« ist ein tiefer Ton, der sich in der dunklen Spirale der Komposition widerspiegelt, und das Wort »Bluxao« mutet beim Sprechen gar wie eine mit dem Mund geformte Spirale an.
Inga Dreesen