Séraphine Louis
Die blaue Séraphine (La Séraphine bleue), um 1930
Gleichermaßen fedrig wie stachelig anmutend wuchert das palmenartige, in gelben, roten und grünen Lackfarben gemalte Gewächs über die gesamte Bildfläche. Séraphine Louis, neben Henri Rousseau die bekannteste französische naive Malerin, versah ihr Gemälde mit dem Titel »Die blaue Séraphine«. Interessanterweise gestaltete sie nicht den Baum selbst in Blau, sondern dessen Umraum – verstand sie ihr Bild als Selbstporträt und sollte sie in jener blauen Farbfläche sich selbst gesehen haben? In ihren zahlreichen Pflanzenbildern entwarf Louis umfassende Metamorphosen von Mensch und Natur, Körper und Umwelt, und sie ließ die Darstellungen stets zwischen Landschaft, Stillleben und Porträt changieren. Wenige Fakten vom Leben der Künstlerin sind überliefert; sie gilt heute als exzentrische Autodidaktin, religiöse Psychotikerin und malende Putzfrau des berühmten Berliner Kunsthändlers Wilhelm Uhde, der ihr Talent entdeckte. Der Mythos um Séraphine Louis legt sich als Deutungsfolie über ihre Werke und ist bei der Betrachtung ihrer Bilder sowohl mitzudenken als auch kritisch zu hinterfragen.
Inga Dreesen
Details zu diesem Werk
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Bildrand links, mittig: S. Louis
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Körner/Wilkens 85,
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Séraphine Louis, (1864 - 1942), 1930 - ? (1); [...] (2); Wilhelm Uhde, Paris, ? - ? (3); Slg. Dr. Richard Möring, alias Peter Gan (Hamburg 4.2.1894 - 6.3.1974 Hamburg), Berlin / Hamburg / Paris, mind. Okt./Nov. 1937 - mind. August 1956 (4); Michelis-Bank AG, Zürich, ? - 3.4.1957 (5); Ankauf von dort, 3.4.1957 (6)
1) Es ist zu klären, wann, wie, an wen und für wie viel Louis das Werk verkaufte oder gab. Laut mündlicher Auskunft von Frau Manja Wilkens im Januar 2021 an Ute Haug ging das Werk vermutlich direkt von Louis an Uhde. Ein Beleg hierzu liegt bisher nicht vor.
2) Bislang unbekannte Provenienz/en. Siehe 1).
3) Siehe Rückseitenbefund. Siehe auch 1).
4) Für 1937 siehe Ausstellung "Les maîtres populaires de la réalité" im Kunsthaus Zürich, mit der Laufzeit 16. - 31. Oktober, 4. - 21. November 1937, S. 6, Nr. 71, hier mit dem Titel "Nature mort sur fond bleu". Es ist als nicht verkäuflich markiert. Siehehttps://digital.kunsthaus.ch/viewer/fullscreen/45079/18/ (08.05.2023, UH) und analog in der Bibliothek des Kunsthaus Zürich mit der Sign. a3/Z 80:19371016a und persistenter Identifier: 45079. Ich danke für den Hinweis auf diesen Katalog Frau Wilkens.
JB, Bd. 3, S. 166. Siehe auch Hans Körner u. Manja Wilkens: Séraphine Louis. 1864-1942. Biographie / Werkverzeichnis, Berlin 2009, S. 213, Nr. 85. Für August 1956 siehe Rückseitenbefund und Ausstellungsetikett "Bauchant-Bombois-Séraphine-Vivin" Kunsthalle Basel. Das Werk lagerte im Kunsthaus Zürich.
Richard Möring, alias Peter Gan: Richard Möring kommt als Sohn des Rechtsanwaltes Dr. Guido und Wiea Heikelina Möring (geb. Dikerna) in Hamburg zur Welt. Von 1903 - 1912 besucht er die Gelehrtenschule Johanneum in Hamburg, studiert dann 1912/13 an der Universität in Oxford. Von 1914 bis 1918 ist er als Soldat im 1. Weltkrieg eingesetzt, zuletzt mit dem Dienstgrad des Leutnants. Ausgezeichnet wird er mit dem Eisernen Kreuz der II. und I. Klasse. Ab 1919 bis 1924 absolviert er in Marburg, Bonn und Hamburg das Studium der Jurisprudenz. Dabei lernt er in Bonn Paul. O. Rave kennen. Schließlich promoviert er zum Thema "Rechtsabsolutismus, Rechtsrelativismus und ihre methodische Vereinigung". Die Promotion blieb unveröffentlicht. ein Studium der Anglistik und der Philosophie schließt sich bis 1925 bei Emil Wolff und Ernst Cassirer in Hamburg an.
1926 erscheint seine erste literarische Veröffentlichung mit dem Pseudonym "Peter Gan". Als Korrespondent der Frankfurter Zeitung und freier Autor hält er sich von 1927 bis 1929 in Paris auf. Danach lässt er sich in Berlin nieder und ist wieder in Kontakt mit Paul Ortwin Rave, den er in seinen Werken mit "Eugen" auftreten lässt. Zudem pflegt er den Kontakt mit Henry Goverts und Wihlem Uhde. von 1934 bis 1936 arbeitet er für das Berliner Büro des Züricher Verlages "Atlantis". Als Lektor ist er halbtags von 1937 bis 1938 für den Fischer-Verlag in Berlin tätig. Er ist Mitglied der Reichsschrifttumskammer und der Reichskammer der bildenden Künste. Spätestens zu dieser Zeit ist Möring auch kunsthändlerisch tätig. 1937 bot er der Hamburger Kunsthalle Werke von Picasso und Marées zum Kauf an. Kontakte pflegte er zudem auch mit der Kunsthandlung W. A. Hofer, Berlin. Im November 1938 (spätestens Februar 1939) emigrierte er nach Frankreich, da er ihm die politische Verfolgung drohte. Seinen Hausstand und umfangreichen Buch- und Kunstbesitz lagerte er bei der Speditionsfirma Knauer in Berlin ein, darunter auch Werke von Hellmuth Kolle, Louis Vivin und Séraphine Louis. Alles soll dort durch Kriegseinwirkungen zerstört worden sein. Vom 3.9.1939 bis Januar 1940 war Möring in den Lagern von Colomes und Villerbon und dann von Mai 1940 bis November 1942 in Albi, Agde und Lagrasse, sowie im Konzentrationslager Gurs. Dort war er als "Fremdarbeiter" eingesetzt. Von dort aus gelingt ihm 1942 die Flucht nach Spanien und in Madrid durch Quäker Hilfe erfährt. Im Juni 1946 kehrt er nach Paris zurück und arbeite als Literatur-Übersetzer. Ab 1958 lebt er wieder in Hamburg, wird 1966 Mitglied der Literaturklasse der Freien Akademie und erhält mehrere Preise u. a. 1967 den Alexander-Zinn-Preis.
Quellen: https://wbis.debruytger.com/biographic-document/D527-527-6; HAHK: Slg 18, Bl. 65, 66; BA Koblenz B 323 71; LABO Berlin, RG 65 949.
Interessanter weise publizierte Peter Gan in der Zeitschrift für künstlerische Kultur "DER KREIS", IX Jg., 4. Heft, April 1932, S. 204 - 212 den Aufsatz "Die Maler des "Sacré Coeur", den er zuvor in Berlin im kleinem Freundeskreis vorgetragen hatte, in dem er sich u.a. auch mit dem Werk der Séraphine Louis auseinandersetzt (S. #). Auf S. 192 ist zudem der L'arbre du paradis (WVZ Körner/Wilkens 57) abgebildet, das 1932 offenbar ebenfalls in seinem Eigentum war.
5) HAHK: Slg 1 Ankäufe für die Galerie 1.1.1953-31.3.62.
6) HAHK: Slg 1 Ankäufe für die Galerie 1.1.1953-31.3.62. Die Ankaufssumme belief sich auf 20.000 Deutsche Mark (DM). Das Werk wurde mit Rahmen erworben. Damals trug es den Titel "Der blaue Baum". Laut mündlicher Auskunft von Frau Manja Wilkens im Januar 2021 an Ute Haug stammt der Rahmen von Richard Möring.
Kein Befund in:
www.lostart.de (18.1.2005 und 6.1.2021).
Stand: 18.1.2005; 3.4.2019; 6., 21., 22.1.2021, 14.2., 8.5.2023, Ute Haug.
Status: in Bearbeitung (die mit # markierten Stellen sind noch zu ergänzen), ungeklärt, bedenklich.
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Malerei des XX. Jahrhunderts in der Hamburger Kunsthalle. Bilderhefte der Hamburger Kunsthalle II/III, Alfred Hentzen, 1960, S. 13, 30, Abb. S. 71, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 31
Hamburger Kunsthalle. Erwerbungen 1951-1957, Alfred Hentzen, 1958, S. 166, Abb., Abb.-Nr.
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Malerei im 20. Jahrhundert. Tafelband, Werner Haftmann, 1962, S. 216, Abb. S. 224, Abb.-Nr.
Malerei im 20. Jahrhundert. Eine Bild-Enzyklopädie, Werner Haftmann, 1965, S. 168, Abb. S. 174/Nr. 383, Abb.-Nr.
Frankreichs Große Naive; Galerie Eisenmann, Aichtal, 1991, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. [Ausstellungsverzeichnis]
Werke und Werkstatt naiver Kunst; Städtische Kunsthalle Recklinghausen (25. Ruhrfestspiele), 1971, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 215 (mit Abb.)
Die Kunst der Naiven. Themen und Beziehungen; Haus der Kunst München; Kunsthaus Zürich, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. S. 182/Nr. 96
Naive Kunst. Geschichte und Gegenwart; Kulturhistorisches Museum, Bielefeld; Altonaer Museum in Hamburg, Norddeutsches Landesmuseum, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 127 (mit Abb.)
Wer hat dich, du schöner Wald ...; Städtische Kunsthalle Recklinghausen (38. Ruhrfestspiele), 1984, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 90 (mit Abb.)
Bauchant, Bombois, Séraphine, Vivin; Kunsthalle Basel, 1956, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 83 (?)
Séraphine Louis. 1864-1942. Biographie / Werkverzeichnis, Hans Körner u. Manja Wilkens, 2009, Abb. S. Taf. 85, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 85
Der Schatten der Avantgarde. Rousseau und die vergessenen Meister, Herausgeber: Kaper König und Falk Wolf; Museum Folkwang, 2015, Abb. S. 245, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 163
Du Douanier Rousseau à Séraphine. Les grands maîtres naifs, Herausgeber: Jeanne-Bathilde Lacourt, Susanna Àlex; Musée Maillol, 2019, Abb. S. 179, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 96
Wilhelm Uhde: Briefe an Freunde, Künstler und Kunsthändler : mit zwei unveröffentlichten Texten Mona Lisa und Olympia, Der Sammler, Uhde, Wilhelm , 1874-1947 (VerfasserIn); Wilkens, Manja , 1964- (HerausgeberIn); Guignard, Yves , 1984- (HerausgeberIn), S. 139, Anm. 137, Abb.-Nr.
Rousseau - Thornhill, Bazin, Germain , 1901-1990 (Hrsg.); Fassmann, Kurt , 1927-; Rüdiger, Wilhelm, S. 164 (m. Abb.), Abb.-Nr.
306, Abb.-Nr.
1-4, 12, 13, Abb.-Nr.
2508, Abb.-Nr.
71 (m. Abb.), Abb.-Nr.
9, Abb.-Nr.
33 (m. Abb.), Abb.-Nr.
109f., 126, 134, 198, Abb.-Nr.
239, Abb.-Nr.
60, Abb.-Nr.
198, Abb.-Nr.
Welche Moderne? In- und Outsider der Avantgarde, Hauptautor: Manja Wilkens; Weiterer Autor: Sabine Maria Schmidt
, 2023, Abb. S. 127, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 53
Lackfarbe auf Leinwand (Ripolin auf Leinwand, lt. WVZ, S. 232) 146.2cm x 114cm (Bild) 163.5cm x 131cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, erworben 1957 Inv. Nr.: HK-5004 Sammlung: Klassische Moderne © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford
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