Balthasar Denner

Die Kuchenfrau, 1715

Denner galt als meistbeschäftigter Porträtist und Stillebenmaler Norddeutschlands. Mit seinem Bild der Kuchenfrau entsprach er dem bürgerlichen Geschmack. Die Vorbilder sind in den Niederlanden zu suchen, in die Denner erstmals 1714 reiste. Die Sorgfalt, mit der er auf jedes Haar und jede Hautfalte eingeht, weist auf Gerrit Dou, den Rembrandt-Schüler hin. Sie machte Denner berühmt. Die Kuchenfrau ist nicht als Portrait zu verstehen, sondern als eine Art idealisiertes Genre. Denner verleiht der Kuchenfrau als Vertreterin des unteren Standes Würde.
Hans Werner Schmidt
Nach rechts gewandte Halbfigur einer älteren Straßenverkäuferin. Sie trägt eine graue, pelzgefütterte Jacke mit blauem Halstuch und eine schlichte weiße Kappe. Mit der Rechten hält sie einen flachen, viereckigen Korb mit Kuchen vor sich.
Ein Jahr nach seiner ersten Reise nach Amsterdam greift Denner in der Monumentalisierung einer Figur niedrigen gesellschaftlichen Ranges auf ältere Vorbilder aus dem Kreis der Utrechter Caravaggisten zurück. Vergleichbar ist die Komposition von Hendrick Bloemaerts Geflügelverkäufer, der auch in einem seitenverkehrten Nachstich verbreitet war.1 Gegenüber solchen Vorbildern aus der niederländischen Genremalerei verzichtet Denner jedoch auf alle ikonographischen Bezüge; das genannte Beispiel von Bloemaert etwa bewegt sich mit dem Thema des »hennetasters« im Rahmen der moralischen Satire auf die männliche Sexualität im Alter.
Mit Recht wies Börsch-Supan darauf hin, dass Denner durch Haltungsmotive aus der höfisch-repräsentativen Bildnismalerei seiner Zeit, durch die Neigung des Kopfes, den nach vorn weisenden Arm und den nach hinten gebauschten Rock, »ein neues Pathos« gewinnt.2 Trotz des portraithaft charakterisierten Gesichts der Kuchenverkäuferin ist Inv. 42 jedoch ein Genrebild, ähnlich wie Denners Studienköpfe alter Männer und Frauen (vgl. Inv. 5394 und 409), in dem die Würde des Alters und des niederen Standes nicht zuletzt mit Mitteln der aristokratischen Portraitmalerei aufgewertet wird. Vergleichbar sind besonders Denners Alte Frau mit Obstkorb und die Darstellung einer jungen Frau in London.3 G. W.

1 Lw., 102 x 81 cm, Privatbesitz; vgl. M. Roethlisberger, Abraham Bloemaert and His Sons, 2 Bde., Gent 1993, Bd. 1, S. 452 f., Nr. H 20, Bd. 2, Farbtaf. XXXIV. Der Kupferstich von Cornelis Bloemaert (Hollstein 290) ebd., Bd. 2, Abb. H 26.
2 Vgl. Keller 1971, S. 412.
3 Kupfer, 87 x 66 cm, Kunsthandel Holckh-Falkenberg, Zürich 1993 (Photo: Gemäldeakte). – Mädchen mit Strohhut, Lw.,
76,6 x 63 cm, dat. 1723, Tate Gallery, London, Inv. T 7322.

Details zu diesem Werk

Leinwand 83.4cm x 64cm (Bild) 110cm x 94cm (Rahmen) Vermächtnis Johann Amsinck, Hamburg 1879 Inv. Nr.: HK-42 Sammlung: Alte Meister © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback
Weitere Werke von
Balthasar Denner