Südniederländisch, um 1600
Girolamo Muziano, ehemals

Waldige Berglandschaft, um 1590

Ein felsiger Abhang mit mächtigen Bäumen fällt nach vorn jäh ab. Ihm entspringt ein Waldbach, an dem ein vornehm gekleidetes Paar mit einem Kind lagert. Im Mittelgrund ragt links aus dem Tal ein Schloß auf, dahinter erheben sich Berge.
Als eines der »schönsten Landschaftsbilder, die in Italien in der zweiten Hälfte des 16. Jhs. entstanden sind« hat Schleier Inv. 388 bezeichnet.2 Früher galt das Gemälde als Werk Tizians, Venturi hat Dosso Dossi vorgeschlagen. Bredius und Hofstede de Groot vermuteten dagegen einen niederländischen Maler; die Figuren seien von anderer Hand.3 Die bis 1966 vertretene Zuschreibung an Muziano stammt von Gerstenberg. Von Muziano sind zwar Zeichnungen mit ähnlich komponierten Landschaften bekannt, der Vergleich aber mit seinem Gemälde Der hl. Hieronymus in Ottawa schließt Muzianos Autorschaft aus. Sein Farbauftrag ist breiter, das Astwerk strähniger ausgeführt und das Blattwerk weniger differenziert gegeben.4 Gleiches gilt auch für Agostino Carracci, den Schleier genannt hat. Für das Blattwerk verwies Schleier auf flämische Vorbilder, auf Landschaften etwa von Paul Bril oder Jan Brueghel d. Ä. die in Italien gearbeitet haben. Gerszi griff die alte Zuschreibung an einen flämischen Maler wieder auf und schlug Frederik van Valckenborch als Maler vor.5 Von diesem gibt es, wie von seinem Bruder Gillis, eine Gruppe von Landschaften, die im Aufbau und im Farbauftrag des Blattwerks mit Inv. 388 vergleichbar sind.6 Ein Bezug im Kompositorischen besteht auch zu großformatigen Landschaften von Johannes Soens, der seit 1575 am Hof in Parma tätig war.7 Eine Entstehung um 1600 ist anzunehmen.

Thomas Ketelsen 2001

1 Laut Woermann 1892, S. 89.
2 Schleier 1972, S. 17-22.
3 Vgl. Katalog 1918, S. 103.
4 Kupfer, ca. 40,6 x 28 cm, National Gallery of Canada, Ottawa, Inv. 15679.
5 Mündl. Mitt. 1997. Frederik van Valckenborch (oder Valckenborgh) wurde in Antwerpen als Sohn des Malers Maarten I. van Valckenborch geboren. Die Familie emigrierte 1586 nach Frankfurt, wo Frederik 1597 das Bürgerrecht erhielt. Seit 1602 lebte er in Nürnberg. Ein Aufenthalt in Rom ist durch datierte Zeichnungen von 1592 und 1595 belegt. Vgl. T. Gerszi, Neuere Aspekte der Kunst Frederik van Valckenborchs, in: Jahrbuch der Berliner Museen N. F. 32, 1990, S. 173-189.
6 Vgl. etwa die Valckenborch zugeschriebenen Gemälde: Landschaft mit dem Schiffbruch des Aeneas, Lw., 100 x 199,5 cm, bez. F VV 03, Museum Boijmans Van Beuningen, Rotterdam, Inv. 2644; Catalogus schilderijen tot 1800, bearb. v. J. C. Ebbinge Wubben, Rotterdam 1962, S. 144. - Gebirgslandschaft, Kupfer, 27 x 35 cm, bez. F. v. Falcke[...] 1605, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv. A 1506, Katalog Amsterdam 1976, S. 553. - Pilger vor einer Waldkapelle, Lw., 131,5 x 128,5 cm, Szépmüvészeti Múzeum, Budapest, Inv. 60.14; Katalog Budapest 1968, Bd. 1, S. 725 f. - Das Gewitter, Lindenholz, 48,4 x 64,3 cm, bez. 1621 / F v F, Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg, Inv. Gm 1832; Die Gemälde des 17. Jahrhunderts im Germanischen Nationalmuseum, bearb. v. A. Tacke, Mainz 1995, S. 267-269, Nr. 141. Vgl. auch die Gillis van Valckenborch zugeschriebene Waldlandschaft mit dem Propheten Elias, Lw., 115 x 178 cm, Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique, Brüssel, Inv. 6073; Katalog Brüssel 1984, S. 305. Auf die niederländisch-flämische Tradition verweist auch J. Jacoby, Düsseldorf (mündl. Mitt. vom 12. 2. 2000).
7 Johannes (Giovanni) Soens (um 1547-1611) wurde in 's-Hertogenbosch geboren; nach seiner Ausbildung in Antwerpen bei Frans und Gillis Mostaert (um 1560) ging er 1574 nach Rom. Seit 1575 stand er im Dienste von Ottavio, Alessandro und Ranuccio Farnese am Hof in Parma. Eine Reise nach Venedig ist für 1586 dokumentiert; B. W. Meijer, Parma e Bruxelles. Committenza e collezionismo farnesiani alle due corti, Mailand 1988, S. 201-203. Vgl. etwa die Soens zugeschriebene Landschaft mit Christus und Johannes, Lw., 88 x 88 cm, Verst. London (Sotheby's), 20. 4. 1988, Nr. 11.

Lit.: Julius v. Pflugk-Harttung, Die Weber'sche Gemäldesammlung, in: Repertorium für Kunstwissenschaft 8, 1885, S. 90; Fritz Hack, Quadri di maestri italiani nelle gallerie private di Germania, III. La Galleria Weber di Amburgo, in: Archivo Storico dell'Arte 4, 1891, S. 89; Woermann 1892, S. 88 f., Nr. 100; Ernst Zimmermann, Die Landschaft in der venezianischen Malerei bis zum Tode Tizians, Leipzig 1893, S. 135 ff.; Woermann 1907, S. 107 f., Nr. 111; Lichtwark 1912, S. 22, Nr. 39; Katalog 1918, S. 103 (als niederländischer Meister? um 1600); Katalog 1921, S. 107; K. Gerstenberg, Die ideale Landschaftsmalerei, Halle 1923, S. 39, Taf. 11; Katalog 1930, S. 112 f.; Ugo da Como, Girolamo Muziano, Bergamo 1930, S. 32-35, Abb. S. 34; Rezio Buscaroli, La pittura di paesaggio in Italia, Bologna 1935, S. 226 (als nordischer Meister in der Nachfolge Muzianos); Katalog 1956, S. 113 (als Muziano); Katalog 1966, S. 118; Erich Schleier, Beiträge zu den drei Carracci, in: Berliner Museen. Berichte aus den Staatlichen Museen Preussischer Kulturbesitz N. F. 22, 1972, H. 1, S. 17-22; Luigi Salerno, Pittori di paesaggio del Seicento a Roma, 3 Bde., Rom 1977-1980, Bd. 1, S. 74 f., Abb. 16.1 (als Agostino Carracci).

Details zu diesem Werk

Leinwand 126.6cm x 100.8cm (Bild) 150cm x 139.5cm (Rahmen) Erworben 1912 Inv. Nr.: HK-388 Sammlung: Alte Meister © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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