Thomas Willeboirts Bosschaert
Jacob Jordaens, ehemals

Der Lockenkopf

Der nach links geneigte und in leichter Untersicht gezeigte Kopf eines Jungen mit auf die Schulter fallenden Locken wurde mit wenigen Pinselstrichen vorgezeichnet, was an Hals und Kinn deutlich sichtbar ist. Eine Locke hängt in die Stirn. Ein grünes Gewand bedeckt die Brust. Die ockerfarbene Grundierung scheint vor allem im Bereich der mit wenigen kräftigen Zügen gemalten Haare hindurch.
Von dem Brustbild sind zwei Wiederholungen bekannt, die eine ehemals Anton van Dyck,2 die andere Jacob Jordaens zugeschrieben.3 Auf der letzteren ist die Kinnpartie schmaler gefaßt. Der Hamburger Lockenkopf, bislang unter Rubens, Van Dyck und Jordaens geführt,4 wurde von Z. Zaremba Filipczak und M. Díaz Padrón übereinstimmend als ein Werk Willeboirts Bosschaerts erkannt. Wiederholt kommt der Kopf auf dessen Altargemälden vor, so auf einer Krönung Mariens in Antwerpen,5 dort ist der Knabe in ganzer Figur dargestellt, oder auf der Maria Immaculata in Valladolid, das kurz vor dem Tod Willeboirts' fertiggestellt wurde.6 Der Knabe trägt dort ein um seine Schultern gelegtes Tuch, der Kopf ist wie auf einer Himmelfahrt Mariens in Duffel7 frontal wiedergegeben.
Vermutlich verwendete auch Willeboirts wie seine Malerkollegen Rubens, Van Dyck oder Jordaens sogenannte Studienköpfe, die wie Inv. 382 beliebig oft für größere Kompositionen verwendet wurden. Auf dem 1647 datierten Gemälde Jason und Medea in Potsdam8 findet sich der Lockenkopf wieder, ebenso auf dem Bild Amor über Kriegstrophäen thronend in Stockholm; dort allerdings ist der Knabe zu einem androgyn erscheinenden Jüngling herangewachsen.9 Auf einer allegorischen Darstellung der Monate Mai und Juni von Jan van den Hoecke in Wien, an der auch Willeboirts mitgewirkt hat, wurde der Kopf ebenfalls verwendet.10 Nach Balis ist jedoch nicht auszuschließen, daß es sich bei Inv. 382 nur um eine Wiederholung der 1975 auf dem Kunstmarkt angebotenen Fassung des Lockenkopfes handelt.11
Die große Beliebtheit des Motivs zeigt sich in der zitathaften Wiederholung durch andere Künstler. Als Bild im Bild findet er sich auf einem Vanitasstilleben in Den Haag wieder, das David Rijckaert III. zugeschrieben wird.12 Die Kopfhaltung und die über die Stirn fallende Locke stimmen mit dem Hamburger Bild überein. Aufgrund dieses Gemäldes hatte D'Hulst Inv. 382 ebenfalls Rijckaert zugeschrieben.13 Balthasar van den Bosche griff ebenfalls das Motiv des Lockenkopfes für ein Gemälde mit der Darstellung eines Künstlerateliers auf.14

Thomas Ketelsen 2001

1 A. Heinrich, Thomas Willeboirts Bosschaert, in: Meesters van het Zuiden. Barokschilders rondom Rubens, bearb. v. P. Huys Janssen u. a., Ausst. Kat. Noordbrabants Museum, 's-Hertogenbosch 2000, S. 119-141.
2 Holz, 41,3 x 30,5 cm, Verst. London (Sotheby's), 3. 7. 1963, Nr. 57.
3 Holz, 38 x 30,5 cm, Galerie Leonard Koetser, London 1975; Fine Old Master Paintings, Ausst. Kat. London 1975, Nr. 3.
4 Die Zuschreibung an Jordaens erfolgte durch Hulin im Ausst. Kat. Jacob Jordaens 1905.
5 Lw., 383 x 229 cm, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen, Inv. 17; Katalog Antwerpen 1988, S. 429; Meesters van het Zuiden 2000 (wie Anm. 1), S. 138, Abb., S. 144, Nr. 66.
6 Lw., 635 x 460 cm, Museo Provincial, Valladolid; Díaz Padrón 1972, Taf. 1, Abb. 1.
7 Lw., 340 x 230 cm, Onze Lieve Vrouw van Goede Wil, Duffel;
Meesters van het Zuiden 2000 (wie Anm. 1), S. 139, Abb. 112.
8 Lw., 219 x 269 cm, Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten, Jagdschloß Grunewald, Berlin, Inv. GK I 2398; Die Gemälde im Jagdschloß Grunewald, bearb. v. H. Börsch-Supan, Berlin 1964, S. 135 f.; ferner Meesters van het Zuiden 2000 (wie Anm. 1), S. 134, Abb. 105.
9 Lw., 169 x 242 cm, Nationalmuseum, Stockholm, Inv. NM 410; Illustrerad Katalog över äldre utländskt måleri, Stockholm 1990, S. 42.
10 Lw., 318 x 426 cm, Kunsthistorisches Museum, Gemäldegalerie, Wien, Inv. 3550; Katalog Wien 1991, S. 69, Taf. 434.
11 Balis 2000, S. 150, Anm. 74.
12 Lw., 72 x 78 cm, Museum Bredius, Den Haag, Inv. 168-1946;
Catalogus van de schilderijen en tekeningen, bearb. v. A. Blankert, Zwolle/Den Haag 1991, S. 195 f., Nr. 142; vgl. auch Rijckaerts Schmausende Gesellschaft, Lw., 119 x 171 cm, Landesgalerie Hannover, Inv. PAM 869; Katalog Hannover 2000, S. 318-320, Nr. 165, mit Hinweis auf Inv. 382.
13 D'Hulst 1961-1966.
14 Filipczak 1969-1972, S. 209 f. (Foto RKD: Neg.-Nr. 33319).

Ausst.: Jacob Jordaens, Koninklijk Museum voor Schone Kunsten, Antwerpen 1905, S. 75, Nr. 86.
Lit.: Verzeichniss der Gemäldesammlung Sr. Hoh. des Fürsten zu Hohenzollern-Hechingen, Löwenberg o. J., S. 22, Nr. 104 (als Rubens); Julius von Pflugk-Harttung, Die Webersche Gemäldesammlung, in: Repertorium für Kunstwissenschaft 8, 1885, S. 87 (als Van Dyck); Friedrich Schlie, Kunstgeschichtliche Erörterungen, in: Hervorragende Gemälde niederländischer Meister der Galerie Weber, Hamburg/Wien 1891, S. 80; Woermann 1892, S. 141, Nr. 171; Woermann 1907, S. 171, Nr. 200; Katalog 1918, S. 80; Katalog 1921, S. 83; Katalog 1930, S. 80; Katalog 1956, S. 84; R. A. d'Hulst, Over een schilderij en een schets van Davis III Rijckaert, in: Gentse Bijdragen tot de Kunstgeschiedenis en de Oudheidkunde 19, 1961-1966, S. 95, Abb. 4 (als Rijckaert); Katalog 1966, S. 87; Zirka Zaremba Filipczak, Multiplied Quotations of an Oil Sketch from the Hamburg Kunsthalle, in: Gentse Bijdragen tot de Kunstgeschiedenis en de Oudheidkunde 22, 1969-1972, S. 200, Abb. 1 (als Bosschaert); R. A. d'Hulst, Nog iets over een olieverfstudie van een knaap uit de Kunsthalle te Hamburg, in: Gentse Bijdragen tot de Kunstgeschiedenis en de Oudheidkunde 22, 1969-1972, S. 211-218; M. Díaz Padrón, Thomas Willeboirts Bosschaert, pintor en Fuensaldana, in: Archivo Español del Arte 178, 1972, S. 99, Taf. VI, Abb. 14; M. Díaz Padrón, Dos Bocetos de Thomas Willeboirts Bosschaert y de Gerard Seghers atribuidos a Van Dyck en el Museo de Picardie y Colección Koetser, in: Archivo Español del Arte 209, 1980, S. 22, Anm. 10; Axel Heinrich, Drei Ölskizzen für die Fuensaldanas von Thomas Willeboirts Bosschaert (1613/14-1654), in: Jaarboek Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen 1989, S. 361, Anm. 2; Arnout Balis, Working it out. Design Tools and Procedures in Sixteenth- and Seventeenth-Century Flemish Art, in: Concept, Design & Execution in Flemish Painting (1550-1700), hrsg. v. Hans Vlieghe u. a., Turnhout 2000, S. 150, Anm. 74.

Details zu diesem Werk

Eichenholz cm x cm (Bild) 74.5cm x 63cm (Rahmen) Erworben 1912 aus der Sammlung Weber, Hamburg Inv. Nr.: HK-382 Sammlung: Alte Meister Bildnachweis: Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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