Deutsch (Köln), um 1340/50

Triptychon aus dem Kloster St. Klara in Köln, um 1350

Der Altar zeigt fünf Darstellungen aus der Passion Christi. Das Format und die Maße dieses Flügelaltärchens sprechen zunächst für die Annahme, es handle sich um den tragbaren Hausaltar eines noch nicht weiter identifizierten Stifters. Das Mittelbild zeigt den Gekreuzigten, dessen Kreuz am Fuße von einer Klarissin, im kleineren Maßstab, umarmt wird. Hinzugereiht stehen links Maria, von Johannes in ungewohnter, umarmender Geste gehalten. Diese beiden kanonischen Gestalten sind hier erstmals in der Kölner Malerei zu der später weit verbreiteten Gruppe zusammengefasst und gemeinsam auf die linke Seite gerückt worden. Ungewöhnlich ist die weitere Bereicherung der Figurenszene. So stehen am linken Rand die hl. Klara und neben dem Hauptmann mit einem roten Schild, auf dem sich ein nicht identifiziertes Wappen befindet, der hl. Franziskus, der Apostel Paulus, jeweils an ihren Attributen erkennbar. Auf die Beigabe von Reliquiendepositorien wurde verzichtet. Am Kreuzesstamm kniet als Stifterin eine Klarissin. Hieraus wurde die Herkunft des Altärchens aus dem Klarenkloster in Köln geschlossen, da diese Vermutung auch eine Erklärung für die Hinzunahme der hll. Klara und Franziskus bieten würde. Tatsächlich verbindet vieles Inv. 325 mit den Arbeiten des Meisters des Klarenaltars.2 Ein oval angeordneter Reigen von Engeln umschwebt dort den horizontalen Balken des Kreuzes.
Auf den Flügeln sind von links nach rechts die Verkündigung und darunter die Geburt sowie die Auferstehung und Christus als Weltenrichter zu erkennen. Die Kreidegrundierung für das Gold des Hintergrunds ist mit einem Ornament aus breiten Blättern geschmückt. Die Seitentafeln sind breitflächig mit farbigen Motiven gefüllt, und so erscheinen die punzierten Goldpartien im Gesamteindruck relativ reduziert. Benecke sieht im Aufbau der einzelnen Szenen Übereinstimmungen zu zeitgenössischen Miniaturen; insbesondere die Gestik des Hauptmanns, der nach oben deutet, findet sich auch in der Anbetungsszene eines Gradualbandes von 1330 im Suermondt-Ludwig-Museum.3 Er schließt daraus auf thematische Vorgaben innerhalb der Werkstatt, die für die Klarissen in Köln gearbeitet haben könnte.4 In der Verkündigung (links oben) fällt die auf einer abfallenden Linie angeordnete Verbindung auf, die von dem Kopf Gottes, der aus der Wolke über dem Engel herausragt, über das Spruchband bis hin zur Taube über Marias Kopf reicht.
Stilistische Unterschiede in den Figuren der hll. Klara, Paulus, Franziskus zu Maria und Johannes führt Gummlich auf die starken Überarbeitungen des Originals zurück.5 Auch erscheinen die Blickrichtung des Hauptmanns und die Binnenzeichnung des Wappenschildes stark verunklärt. König schlägt für die goldene Lilienhaspel auf dem Schild eine auf das Haus Kleve verweisende Lesart vor.6 Nachdem der Hausaltar als »westfälische Arbeit« von Lichtwark erworben wurde, erkannte Friedländer ihn als charakteristisches Beispiel der »kölnischen Malerei vor 1400«.7 Seither variiert nunmehr die Datierung um zwei Dezennien zwischen der von Zehnder um 1340 und der von Stange um 1360 angesetzten Entstehung.8 Wie bereits Stange festhielt, enthält das Werk »die entwicklungsgeschichtlichen Voraussetzungen« für den heute im Kölner Dom befindlichen Klarenaltar.9 Damit war zugleich auch die Verbindung zum Stil der Szenen des Flügelaltärchens mit Kreuzigung aus dem Kölner Kloster St. Klara hergestellt.10 Tatsächlich ist ein Vergleich mit diesem Kreuzigungstriptychon schon anhand der Gesamtanlage beider Werke naheliegend.11
Die Außenseiten lassen auch den Bezug zu einem Werk eines anderen Kölner Meisters, der Andachtstafel mit dem Leben Christi im Wallraf-Richartz-Museum,12 erkennen, denn auf den Außenseiten von Inv. 325 sind die sogenannten Passionswerkzeuge sowie der Schmerzensmann mit Sarkophag zu sehen. Der Schmerzensmann wird von einer Figur am rechten Außenrand angespuckt; über seinem Kopf hält eine Hand ein Stück seines abgetrennten Haares fest. Dies scheint hier eine recht frühe, abstrakte Umsetzung der Prophezeihungen von Schmerzen, die Christus erleiden wird, zu sein, wovon Jesaja 50,6 und 53,7 die meistzitierten sind: Christus werde geschoren wie ein Lamm, er werde Bart und Haare verlieren.13 Die Ähnlichkeiten betreffen nun besonders die Verteilung der Passionswerkzeuge, wobei die Marterwerkzeuge in der Kölner Andachtstafel jedoch wesentlich prominenter in der Bildmitte aufgereiht wiedergegeben werden.14 Ferner zeigen sich Vergleichbarkeiten in der Szene der Geburt, denn auch dort liegt das fest eingeschnürte Kind in einem von Maria und Joseph gerahmten Steintrog, in den Ochse und Esel zutraulich hineinblicken. In der bildparallel ausgeführten Auferstehung Christi wird dieser jeweils von zwei aus dem Sarkophag aufsteigenden Engeln flankiert.
Eine annähernde Datierung ergibt sich dadurch möglicherweise wie folgt: Inv. 325 scheint im Zweifel eine um 1340/50 dem Kölner Kreuzigungstriptychon von etwa 1330 nachfolgende und der Andachtstafel vorausgehende Arbeit zu sein. Jene wird, nicht nur des souveräneren Umgangs mit den Passionswerkzeugen wegen, inzwischen um 1370 datiert.15 Der besondere Bildtypus der Auferstehung Christi mit den zwei Engeln auf dem Sarkophag wird als eigenständige Variante betrachtet. Diese Art der stilistischen Eigenständigkeit findet sich zwischen etwa 1370 und 1400 weiterentwickelt im Klarenaltar des Kölner Doms. M. S.

1 Siehe Jahresbericht 1904, S. 69.
2 Vgl. F. G. Zehnder in: Ausst.-Kat. Köln 1978, S. 204.
3 42,5 x 30 cm, Suermondt-Ludwig-Museum, Aachen,
Inv. NGK 1132; siehe Benecke 1995, S. 144 f., Nr. 2.
4 Siehe ebd., S. 40. Der gegen diese Beobachtung von J. C. Gummlich eingebrachte Einwand, der Erhaltungszustand von Inv. 325 lasse eine solche Überlegung nicht zu, scheint nicht hinreichend (vgl. Gummlich 2003, S. 109).
5 Siehe Gummlich 2003, S. 110.
6 Siehe ausführlich König 2002, S. 46, Anm. 78.
7 Vgl. Friedländer 1909, S. 1.
8 Siehe Zehnder 1990, S. 96; Stange 1930, S. 62.
9 Doppelflügeliger Schreinaltar, Eichenholz und Leinwand, Mittelschrein 278,5 x 334 cm, Flügel je ca. 280 x 138 cm, Kölner Dom; vgl. Ausst.-Kat. Köln 1974, S. 77-80, Nr. 11, Abb. Zitat aus Stange 1930, S. 62.
10 Eichenholz, Mitteltafel 65 x 48 cm, Flügel je 65 x 24 cm, Wallraf-Richartz-Museum, Köln, Inv. WRM 1; vgl. Zehnder 1990, S. 94-98.
11 Siehe König 2002, S. 45; ähnlich Gummlich 2003, S. 110.
12 Andachtstafel mit dem Leben Christi, Tannenholz, 78,4 x 93 cm, Wallraf-Richartz-Museum, Köln, Inv. WRM 6; vgl. Zehnder 1990, S. 116-120, Abb. 85-87.
13 Siehe Marrow 1979, S. 70, 75.
14 Die Bezüge zum Meister des Klarenaltars scheinen jedoch nicht so eng zu sein, wie Stange mutmaßte, der im Sinne einer Gehilfenarbeit den 1378 gestorbenen Wilhelm von Herle als Urheber in die Diskussion zu bringen versuchte (s. Stange 1967-1978, Bd. 1, S. 20, Nr. 19).
15 So zuletzt R. Slenczka, Lehrhafte Bildtafeln in spätmittelalterlichen Kirchen, Köln 1998, S. 277-280, Abb. VI.2.

AUSST.: Einführung 1905, S. 94, Nr. 507 (als westfälischer Meister um 1350); Gotische Kunst, Alte Universität, Köln 1948, S. 14, Nr. 56, Abb. XV (Mitteltafel); Vor Stefan Lochner. Die Kölner Malerei von 1300 bis 1430, Wallraf-Richartz-Museum, Köln 1974, S. 75, Nr. 9, Abb. S. 153 (Innenseite, Text v. Rolf Wallrath); Anton Legner (Hrsg.), Die Parler und der schöne Stil 1350-1400, 3 Bde., Museum Schnütgen, Köln 1978, Bd. 1, S. 204, 206, Abb. (Mitteltafel, Rückseiten, Text v. Frank Günter Zehnder).
LIT.: Jahresbericht der Kunsthalle zu Hamburg für 1903,
Hamburg 1904, S. 67-69 (als westfälischer Meister um 1350); Max J. Friedländer, Die Anfänge der Tafelmalerei in Köln, in: Sitzungsberichte der kunstgeschichtlichen Gesellschaft 1909, H. 6, S. 1 f. (als kölnisch, vor 1400); Katalog 1918, S. 101 (als kölnischer Meister um 1350); Katalog 1921, S. 105; Heribert Reiners, Die Kölner Malerschule, Mönchengladbach 1925, S. 18-22, Abb. 5; Aenne Liebreich, Kostümgeschichtliche Studien zur kölnischen Malerei des 14. Jahrhunderts, in: Jahrbuch für Kunstwissenschaft 1928, S. 131, 136, Abb. 2; Alfred Stange, Zur Chronologie der Kölner Tafelbilder vor dem Klarenaltar, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch N. F. 1, 1930, S. 62; Katalog 1930, S. 101 f.; Alfred Stange, Deutsche Malerei der Gotik, 11 Bde., München/Berlin 1934-1961, Bd. 1, S. 33 f.; Katalog 1956, S. 104 f.; Meisterwerke 1958, S. 32, Nr. 1, Taf. 1; Katalog 1966, S. 109 f.; Alfred Stange, Kritisches Verzeichnis der deutschen Tafelbilder vor Dürer, 3 Bde., München 1967-1978, Bd. 1 (1967), S. 20 f., Nr. 19 (als Wilhelm von Herle?); Meisterwerke 1969, o. S., Abb. 3, Farbabb. 4 (Detail, als kölnischer Meister); James H. Marrow, Passion Iconography in Northern European Art of the Late Middle Ages and Early Renaissance, Kortrijk 1979, S. 76, Abb. 43 (Rückseite); Frank Günter Zehnder, Katalog der Altkölner Malerei, Köln 1990 (Kataloge des Wallraf-Richartz-Museums, 11), S. 95-97; Sabine Benecke, Randgestaltung und Religiosität. Die Handschriften aus dem Kölner Kloster St. Klara, Hamburg 1995, S. 39 f., 269, Abb. 13; Heinz Schreckenberg, Die Juden in der Kunst Europas, Göttingen 1996, S. 204, Abb. 10 (Rückseite); Werner Hofmann, Die Moderne im Rückspiegel. Hauptwege der Kunstgeschichte, München 1998, S. 35, Abb. 10, 11; Regine Dölling, Der Goldaltar, in: Die Liebfrauenkirche in Oberwesel, Worms 2002, S. 100, Abb. 138; Alexandra König, Die Anfänge der Kölner Tafelmalerei, Phil. Diss. Düsseldorf 2002 (URL: http://www.ub.uniduessel dorf.de/ebib/diss/liste_jahr?fak=4&year=2002), S. 44-48; Johanna Christine Gummlich, Bildproduktion und Kontemplation. Ein Überblick über die Kölner Buchmalerei in der Gotik unter besonderer Berücksichtigung der Kreuzigungsdarstellung, Weimar 2003, S. 97 (mit schematisierter Abb. des Gekreuzigten), 109-111, 142, 145, Anm. 346; Didier Martens, Le triptyque de la Sainte Famille travaillant de Predralbes. Une œuvre flamande »hispanisée«, Brüssel 2007 (im Druck), Abb. 10.

Details zu diesem Werk

Tempera auf Eichenholz 50.2cm x 36.4cm (Bild) 50.2cm x 18cm (Bild) Ankauf aus Mitteln der Carl Heinrich Lüders-Stiftung, 1903 Inv. Nr.: HK-325 Sammlung: Alte Meister © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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