Daniel Seghers
Erasmus Quellinus (II.)
Kartusche in Blumen: Der heilige Ignatius betet Maria mit dem Kinde an
Die mit Orangenzweigen, rankendem Efeu und drei Blumengebinden geschmückte Steinkartusche umfaßt ein überwiegend grau in grau gemaltes Einsatzbild. Dargestellt ist die auf Wolken thronende Muttergottes mit dem vor ihr knienden hl. Ignatius von Loyola, der die Hand des Christusknaben an seine Lippen führt. Drei Cherubim schweben über der Gruppe. Die Kartusche steht auf einem breiten Postament und wird von einer Muschel mit dem Christusmonogramm IHS (Jesus Hominum Salvator) bekrönt. Die drei Blumengebinde bestehen aus blauen Hyazinthen, rot-weißen Tulpen, Nelken, Rosen, Schachbrettblumen und Winden (links), aus Rosen, Tulpen und Nelken, einer aufragenden Tazette und herabhängender spanischer Kapuzinerkresse (Märzbecher) in der Mitte und aus weißen Hyazinthen, rot-weißen Tulpen, gelben Narzissen, Nelken und Rosen rechts.3
Ein von Seghers kurz vor seinem Tod errichtetes Inventar verzeichnet über 200 Kartuschenbilder, sogenannte cartelle, deren Einsatzbilder größtenteils von Cornelis Schut (44 Medaillons) und Erasmus Quellinus (28 Medaillons) gemalt waren.4 Als weitere Künstler der Medaillons werden Abraham van Diepenbeeck, Simon de Vos, Gerard Seghers, Hendrik van Balen und Antoine Goubau genannt. Die Zuschreibung des Einsatzbildes auf Inv. 316 an Quellinus hat Vlieghe erneut bestätigt.5 Seghers übernahm das Motiv des blumengeschmückten Einsatzbildes vermutlich von seinem Lehrer Jan Brueghel d. Ä. Einige verzierte, aber leere Kartuschenbilder lassen vermuten, daß die zumeist grau in grau gemalten Medaillons erst zum Schluß von einem anderen Künstler gemalt wurden.6 Heinz nimmt an, daß auch die steinernen Kartuschen nicht von Seghers selbst stammen.7
Der vor Maria und dem Christuskind Kniende wurde als der hl. Franz Xaver angesehen, jedoch fehlt die für ihn typische Tonsur. Dagegen stimmen die Gesichtszüge mit denen des Begründers des Jesuitenordens, des hl. Ignatius von Loyola (1491-1556), überein.8 Dessen persönliches Zeichen war das Christusmonogramm mit den drei Kreuzesnägeln, die auch in der Muschel zu sehen sind. Gezeigt ist eine Marienvision des Heiligen, für die sich Vorbilder in der Graphik nachweisen lassen.9
Eine ähnliche Kartusche kommt auf zwei Gemälden in Amiens10 und Berlin11 vor. Pentimenti auf Inv. 316 zeigen, daß die Form der Muschel nachträglich verändert wurde, vermutlich, um das Christusmonogramm mit den Kreuzesnägeln einzufügen. Unterschiede bestehen jedoch in der Ausschmückung der Kartuschen. Das Gemälde in Berlin befand sich bereits 1647 in der Sammlung des Kurfürsten Friedrich Wilhelm; nach De Bruyn ist eine Entstehung von Inv. 316 zu dieser Zeit wahrscheinlich.12 Die Eigenhändigkeit wurde, wohl aufgrund der Signatur, bislang nicht angezweifelt, doch ist eine Beteiligung der Werkstatt zu vermuten. Einzelne Blumen wie die hellblauen Schlüsselblumen sind im Vergleich etwa zum Berliner Bild vereinfacht ausgeführt.
Inv. 316 läßt sich im Inventar von 1661 nicht nachweisen. Ein Kartuschenbild mit der Darstellung des hl. Ignatius - als Maler des Medaillons wird Quellinus genannt - wird als auf Kupfer gemalt beschrieben, was eine Identifizierung mit Inv. 316 ausschließt.13 Descamps erwähnt in seiner Voyage pittoresque de la Flandre et du Brabant in der Jesuitenkirche zu Antwerpen ein Gemälde von Seghers mit einer Grisaille, »qui représente l'Apparation de la Vierge à saint Ignace: peint par Cornille Schut.« Dieses Bild ist vermutlich identisch mit einem 1777 versteigerten Gemälde aus dem aufgelösten Besitz der Jesuiten. Hairs brachte Inv. 316 mit diesem Bild in Verbindung, welches jedoch im Format größer war.14
Seghers genoß bereits zu Lebzeiten großes internationales Ansehen. Joost van den Vondel rühmte ihn als den »Phönix der Blumenmalerei«.15 Heinz hat die Blumenbilder Seghers' als Formen der »Seelenführung« gedeutet.16 Die Orangenblüten auf den Voluten der Kartusche können im Zusammenhang mit dem Einsatzbild als Symbol der Reinheit gelten.17
Thomas Ketelsen 2001
1 Hairs 1985, S. 116-195.
2 Laut Woermann 1892, S. 139.
3 Auffallend die verschiedenfarbigen Untermalungen für die einzelnen Blumen: Orange für die Tulpen, roten Rosen und die Nelke, Ockerbraun für die weiße Rose, helles Rosa für die Winden und Grau für die Schachbrettblumen.
4 W. Couvreur, Daniel Seghers' inventaris van de door hem geschilderde bloemstukken, in: Gentse Bijdragen tot de Kunstgeschiedenis en de Oudheidkunde 20, 1967, S. 87-158. Das Inventar umfaßt insgesamt 239 Einträge.
5 Hans Vlieghe, Antwerpen, briefl. Mitt. vom 13. 1. 1997. Derselbe Marientypus ist auch auf dem Medaillon des Dresdner Bildes zu sehen, das De Bruyn ebenfalls Quellinus zugeschrieben hat; De Bruyn 1980, S. 291, 294, Abb. 15.
6 Leere Kartuschenbilder befinden sich etwa in Gent oder Kopenhagen: Lw., 129,5 x 97,5 cm, bez. Daniel Seghers Soc.
tis JESV, Museum voor Schone Kunsten, Gent, Inv. 1886-A;
R. Hoozee, Museum voor Schone Kunsten, Gent 1995, S. 57. - Lw., 97,3 x 70,6 cm, bez. Daniel Seghers Socts JESV, Statens Museum for Kunst, Kopenhagen, Inv. KMSsp 231; Statens Museum for Kunst. Flemish Paintings, 1600-1800, bearb. v.
O. Koester, Kopenhagen 2000, S. 223-225, 371, Taf. 142.
7 Am linken Rand der Leinwand ist links von der alten Bruchkante ein Streifen der grauen Grundierung zu sehen. Wegen des Fehlens von Spannrändern ist daher anzunehmen, daß die Leinwand vor der Aufspannung grundiert war.
8 Vgl. die 1617 bei Rubens in Auftrag gegebenen Bildnisse der beiden Heiligen für die neugegründete Jesuitenkirche in Antwerpen; s. H. Vlieghe, Saints, 2 Bde., London/New York 1972/73 (Corpus Rubenianum, 8), Bd. 2, S. 26-29, Nr. 104, Abb. 6, und S. 73 f., Nr. 115, Abb. 40.
9 Vgl. U. König-Nordhoff, Ignatius von Loyola. Studien zur Entwicklung einer neuen Heiligen-Ikonographie, Berlin 1982,
S. 116.
10 Lw., 128 x 102 cm, Musée de Picardie, Amiens, Inv. 106;
De Bruyn 1980, S. 313, Nr. 21, Abb. 29.
11 Lw., 129,8 x 98,7 cm, bez. Daniel Seghers Soctis JESU, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Inv. 978; Katalog Berlin 1996, S. 112, Abb. 1059.
12 De Bruyn 1984, S. 309 f.
13 Vgl. Couvreur 1967 (wie Anm. 4), S. 132 f., Nr. 181: »Boven neffens de deur van de galderije twee cartellen op plaeten met
S. Ignatius en S. Xaverius van Quellinus.«
14 Hairs 1985, S. 439, Anm. 588. Die Maße des auf Leinwand gemalten Bildes waren mit »4v.,3d. x 4v.,1d.« angegeben.
15 S. Segal, Flowers and Nature. Netherlandish Flower Painting of four Centuries, Ausst. Kat. Nabio Museum of Art, Osaka
u. a. 1990, S. 200 f.
16 G. Heinz, Geistliches Blumenbild und dekoratives Stilleben in der Geschichte der kaiserlichen Gemäldesammlung, in: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien 69, 1973, S. 7-54.
17 Vgl. Segal 1990 (wie Anm. 15), S. 203, Anm. 3 (zu Nr. 44).
Lit.: Woermann 1882, S. 139, Nr. 168; Julius von Pflugk-Hartung, Die Weber'sche Gemäldesammlung, in: Repertorium für Kunstwissenschaft 8, 1885, S. 82; Woermann 1907, S. 168 f., Nr. 196; Lichtwark 1912, S. 17 f., Nr. 12; Katalog 1918, S. 149 f.; Katalog 1921, S. 155; Katalog 1930, S. 146 f.; Marie-Louise Hairs, Les Peintres Flamands de Fleurs au XVIIe Siècle, Amsterdam u. a. 1955, S. 70, 236; Katalog 1956, S. 140; Katalog 1966, S. 145 f.; Jean-Pierre de Bruyn, De samenwerking van Daniel Seghers en Erasmus II Quellinus, in: Jaarboek Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen 1980, S. 324, 327, Kat. 28, S. 326, Abb. 36; Helmut Bertram, Stillebenbilder der Kunsthalle, Hamburg 1983, S. 63-65; Jean-Pierre de Bruyn, Erasmus II Quellinus (1607-1678). Een stilkritische benadering, in: Jaarboek Koninklijk Museum voor Schone Kunsten Antwerpen 1984, S. 310; Marie-Louise Hairs, Les Peintres Flamands de Fleurs au XVIIe Siècle, 2 Bde., 3. Aufl., Brüssel 1985, Bd. 1, S. 165, Abb. 50, S. 169, 195; Bd. 2, S. 42; Jean-Pierre de Bruyn, Erasmus II. Quellinus (1607-1678). De Schilderijen met Catalogue Raisonné, Freren 1988, S. 171 f., Nr. 102a.