Govaert Flinck, Werkstatt

Mädchen mit Hund

Bildnis eines jungen Mädchens in Phantasiegewand mit einem Hund im Arm. Ihr Körper ist im Profil gezeigt, der Kopf zum Betrachter gewendet. Komposition und Malweise des Inkarnats und der Stoffe sowie die pastose Ausführung der Ketten und Bordüren gehen auf Rembrandts Bildnisse seiner Frau Saskia von 1632-1635 zurück.2 Eine ähnliche Kostümierung findet sich auf dem Bild in Dresden (1633)3 und in den beiden Darstellungen Saskias als Flora in St. Petersburg und London.4 Eine Flinck zugeschriebene Zeichnung mit einem kostümierten jungen Mädchen wurde mehrfach mit Inv. 292 in Verbindung gebracht.5 Flinck hat vermutlich im Auftrag des Kunsthändlers Uylenburgh wiederholt Kompositionen Rembrandts aufgegriffen und variiert.6
Von dem Bildnis des jungen Mädchens sind mehrere Fassungen bekannt. Moltke führt fünf Gemälde auf,7 ein weiteres, von Sumowski zu Recht als das qualitätvollste bezeichnet, befindet sich in Tokio8. Der auf Inv. 292 nur im Ansatz gezeigte Bogen links ist auf letzterem bis über den Kopf des Mädchen geführt und der Pilaster deutlicher hervorgehoben.9 Wie auf den anderen Fassungen stoßen die Arkaden im Hintergrund auf eine Mauer. Auf Inv. 292 dagegen fehlt der Eindruck räumlicher Tiefe, es ist nicht ausgeschlossen, daß die Leinwand nachträglich beschnitten wurde.10 Unterschiede bestehen auch in der Form des Gesichts und der Größe des Hundes; Details wie der Hemdkragen, die Kette im Haar, die Goldquasten und der Ärmel sind gröber ausgeführt.
Bis zur Entdeckung der Fassung in Tokio galt Inv. 292 als Prototyp der Reihe. Eine Entstehung um 1636 wurde aufgrund des Vergleichs mit dem Gemälde einer Schäferin von 1636 in Braunschweig angenommen, das zu Flincks frühesten datierten Gemälden gehört.11 Das Bild in Tokio datiert Sumowski ans Ende der dreißiger Jahre. Dieses dürfte jedoch aufgrund der malerischen Ausführung und der vollständigen Rahmenarchitektur dem Hamburger Bild vorausgehen, dessen Eigenhändigkeit bezweifelt werden muß. Wahrscheinlich handelt es sich um die Arbeit eines Schülers in der Werkstatt Flincks. Eine Radierung von G. Friedrich Schmidt von 1766, vermutlich nach Inv. 292, zeigt die bewachsenen Arkaden im Freien.12
Johannes Spilberg (1619-1690), Flincks einziger bekannter Schüler, hat das Motiv des Mädchens mit Hund aufgegriffen.13

Thomas Ketelsen 2001

1 Hoet 1752/1770, Bd. 3, S. 438, Nr. 113: »Een Jong Meisje, door Govert Flinck, hoog 23 1/2, breet 21 duimen. Het Meisje is met het Lyf op zyde, 't Hoofd van vooren en halver Lyf te zien; zy is met een ryke en vreemde Kleeding versierd, en heeft een slaapend Hondje op haar Arm: zeer kragtig en zo goed als van Rembrand, op doek geschildert.«
2 E. van de Wetering, Problems of Apprenticeship and Studio Collaboration, in: Corpus, Bd. 2, 1986, S. 88-90.
3 Ebd., S. 361-366, Nr. A 76.
4 Ebd., S. 495-503, Nr. A 93; Bd. 3, 1989, S. 150-160, Nr. A 112.
5 Sumowski, Drawings, Bd. 4, 1981, S. 2144, Nr. 978xx; Rembrandt och hans tid. Människan i Centrum, Ausst. Kat. Nationalmuseum, Stockholm 1992, S. 382, Nr. 179.
6 Vgl. Flora, Metropolitan Museum of Art, New York, Nr. 60.71.15; Rembrandt / Not Rembrandt 1995, Bd. 2, S. 91-93, Nr. 22.
7 53 x 47 cm, ehem. Fred. Muller & Co (1905), s. Moltke 1965, S. 139, Nr. 356. - 73 x 59 cm, Slg. Duke of Abercorne (1961),
s. Moltke 1965, S. 142, Nr. 369. - 76,2 x 63,4 cm, Slg. Earl of Crawford and Balcarres, s. Moltke 1965, S. 145, Nr. 382. - 62,2 x 45,7 cm, Kunsthaus Zürich, s. Moltke 1965, S. 140, Nr. 360;
Die Gemälde der Stiftung Betty und David M. Koetser, bearb.
v. C. Klemm, Kunsthaus Zürich 1988, S. 92 f., mit Hinweis auf
Inv. 292; Ausst. Kat. Rembrandt, oder nicht? 2000, S. 56 f., Nr. 8.
8 Lw. auf Holz, 71 x 57,8 cm, Fuji Art Museum, Tokio; Verst. London (Sotheby's), 6. 7. 1990, Nr. 109; Sumowski, Bd. 6, 1994, S. 3708, Nr. 2279, Abb. S. 3867.
9 Der Bogen auch auf den Fassungen 2 und 3; Fassung 4 wie Inv. 292 ohne rahmende Bogenarchitektur (s. Anm. 7).
10 Die Maße im Amsterdamer Verst. Kat. von 1765 - »hoog
23 1/2, breet 21 duimen« - entsprechen annähernd den heutigen Maßen. Die Beschneidung der Leinwand müßte somit vor 1765 erfolgt sein.
11 Lw., 74 x 63 cm, Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig Inv. 252; Katalog Braunschweig 1983, S. 66 f.
12 193 x 150 mm; Hollstein 45 (41). Zu den Radierungen Schmidts nach Gemälden der Slg. César s. R. Dohme, Die Ausstellung von Gemälden älterer Meister im Berliner Privatbesitz, in: Jahrbuch der königlich preußischen Kunstsammlungen 4, 1883, S. 123.
13 Sumowski, Bd. 2, 1983, S. 1005 f., Abb. S. 1011.

Ausst.: Rembrandt, oder nicht?, Hamburger Kunsthalle 2000, S. 54-57, Nr. 7.
Lit.: Katalog 1918, S. 51; Katalog 1921, S. 52; J. C. van Dyck, Rembrandt and his School, New York 1923, Taf. 17, Abb. 65; Katalog 1930, S. 48; Katalog 1956, S. 60; J. W. von Moltke, Govaert Flinck 1615-1660, Amsterdam 1965, S. 22, 140, Nr. 358, Abb. Taf. 44; Katalog 1966, S. 62;
Meisterwerke 1969, Abb. 102; J. Lacambre, in: Le siècle de Rembrandt. Tableaux hollandais des collections publiques françaises, Ausst. Kat. Musée du Petit Palais, Paris 1970, S. 73, unter Nr. 77; J. Linnik, Holländische Gemälde des 17. Jahrhunderts und Probleme ihrer Identifizierung [auf Russisch], Leningrad 1980, S. 128, Abb. 170; Sumowski, Bd. 2, 1983, S. 1032, Nr. 662, S. 1094, Abb.; ders., Bd. 6, 1994, S. 3607 unter Nr. 662, S. 3708 unter Nr. 2279; Rembrandt / Not Rembrandt, bearb. v. Walter Liedtke u. a., 2 Bde., Ausst. Kat. Metropolitan Museum of Art, New York 1995, Bd. 2, S. 91.

Details zu diesem Werk

Leinwand 60.7cm x 54.6cm (Bild) 80.5cm x 74cm (Rahmen) 1898 Vermächtnis Carl Gottfried Sohst Inv. Nr.: HK-292 Sammlung: Alte Meister © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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