Jacob Ochtervelt

Raucher

Brustbild eines jungen Mannes in bäuerlicher Kleidung, braungrauer Mütze und grauem Wams vor einer rundbogigen Öffnung. In der Linken hält er eine Tonpfeife, genußvoll bläst er Rauch aus dem Mundwinkel. Der dunkle Bildhintergrund läßt einen Innenraum erahnen.
Ein signiertes und 166[.] datiertes Bildnis eines Malers mit Palette und Pinsel, vermutlich ein Selbstbildnis, ähnelt in den Gesichtszügen.2 Auch für andere seiner kleinen Gemälde scheint Ochtervelt selbst Modell gestanden zu haben. Das Bildnis eines Soldaten mit Banner stammt von 1665, das eines Violinspielers von 1666.3 Kuretsky nimmt für Inv. 235 dieselbe Entstehungszeit an. Die sorgfältige malerische Ausführung sei auf den Einfluß des in Leiden tätigen Frans van Mieris d. Ä. zurückzuführen.4
Die Darstellung rauchender Künstler war im 17. Jahrhundert ein beliebtes Motiv.5 In der Verkleidung als Bauer sieht Raupp eine Gegenposition zu der damaligen Auffassung, der Künstler strebe nach Höherem.6 Eine moralisierende Auslegung ist ebenfalls nicht auszuschließen. Ein Stich von Hendrick Bary zeigt einen rauchenden Bauern mit Mütze und der Unterschrift: »Terwijl ik ijvrig rook Verinis, kleijn gesneen / Denk ik vast bij mij self; Soo vliegt de weerelt heen« (Derweil ich eifrig Tabak rauche, fein geschnitten, denke ich bei mir selbst: so fliegt die Welt dahin).7 In der Emblemliteratur wurde die Flüchtigkeit des Tabakrauches mit der Vergänglichkeit allen menschlichen Strebens nach Ruhm verglichen.8 In der Reihe der Darstellungen der fünf Sinne diente der Raucher zur Vorstellung des Geruchs.
Inv. 235 wurde mit großer Wahrscheinlichkeit 1765 auf der Auktion der Sammlung Hoogeveen zusammen mit dem Bildnis einer Frau, die mit einem Hündchen spielt, versteigert.9 Ein entsprechendes Gemälde in Dublin, auf das die Beschreibung zuträfe, ist jedoch größer als Inv. 235.10

Thomas Ketelsen 2001

1 Kuretsky 1979, S. 3-5.
2 Ebd., S. 65, Nr. 30, S. 202, Abb. 160.
3 Ebd., S. 63 f., Nr. 25, S. 147, Abb. 60; zuletzt Verst. London (Christie's), 7. 7. 1995, Nr. 63, mit Hinweis auf Inv. 235; Kuretsky 1979, S. 66 f., Nr. 33, S. 148, Abb. 61.
4 Zu Mieris s. O. Naumann, Frans van Mieris (1635-1681) The Elder, 2 Bde., Doornspijk 1981, Bd. 1, S. 59, 63 f., 130; zu De Hoochs Rauchendem Bauern mit ähnlicher Mütze in Berlin s.
P. C. Sutton, Pieter de Hooch, Oxford 1980, S. 12, 75, Nr. 4, Farbtaf. 1, um 1650-55 datiert.
5 Vgl. Inv. 625, Jan van Mieris, Porträt eines rauchenden Künstlers von 1688, mit weiterer Lit.
6 Raupp 1978, S. 318 f. Mit Ausnahme eines Gemäldes in Leipzig sind von Ochtervelt keine weiteren Bauerndarstellungen bekannt; Kuretsky 1979, S. 59 f., Nr. 17, S. 192, Abb. 142, während des 2. Weltkrieges zerstört.
7 Tot Lering en Vermaak, bearb. v. E. de Jongh, Ausst. Kat. Rijksmuseum, Amsterdam 1976, S. 57, Abb. 7c. Ein Stich von Carel de Moor nach einer Komposition Godfried Schalkens zeigt einen Raucher in ähnlicher Pose; Mirror of Everyday Life. Genreprints in the Netherlands 1550-1700, bearb. v. E. de Jongh, G. Luijten, Ausst. Kat. Rijksmuseum, Amsterdam 1997, S. 358-361, Nr. 76. In Roemer Visschers Sinnepopen (1614) wird die Darstellung eines Rauchers mit dem Satz kommentiert: »Veeltijdts wat nieuws, selden wat goeds«; ebd., S. 359, Abb. 3.
8 Vgl. Tot Lering en Vermaak 1976 (wie Anm. 7), S. 54-57, Nr. 7.
9 Hoet 1752/1770, Bd. 3, S. 460 f., Nr. 90: »Twee dito's (alles fix en natuurlyk geschildert), zynde 't een, een rookent Mannetje: en 't ander, een Vrouwtje speelende met een Hondtje: beide zeer uitvoerig, door Jacob van Uchterveldt, op paneel; ieder hoog 6, breet 5 duimen. 27-2.«
10 Holz, 23,9 x 19 cm, National Gallery of Ireland, Dublin, Inv. 641; Dutch Seventeenth and Eighteenth Century Paintings in the National Gallery of Ireland. A Complete Catalogue, bearb. v. H. Potterton, S. 107, Abb. 117; von Kuretsky 1979, S. 99,
Nr. D-4, als nicht eigenhändig bezeichnet, ebenso wie die Frau mit Hund, S. 106, Nr. D-28.

Lit.: Katalog Slg. Hudtwalcker 1861, S. 138; Bode 1886, S. 28 f.; Leithäuser 1889, S. 46 f.; Katalog 1918, S. 119; Katalog 1921, S. 124; Katalog 1930, S. 115 f.; Katalog 1956, S. 116; Eduard Plietzsch, Holländische und flämische Maler des 17. Jahrhunderts, Leipzig 1960, S. 67, Anm. 1; Katalog 1966, S. 121; Susan Donahue Kuretsky, The Ochtervelt Documents, in: Oud Holland 87, 1973, S. 133 f., Abb. 8; dies., The Paintings of Jacob Ochtervelt (1634-1682) with Catalogue Raisonné, Montclair (N. J.) 1979, S. 20 f., 65 f., Nr. 31, S. 150, Abb. 65; Hans-Joachim Raupp, Untersuchungen zu Künstlerbildnis und Künstlerdarstellung in den Niederlanden im 17. Jahrhundert (Phil. Diss. Bonn 1979), Hildesheim u. a. 1984, S. 318 f.

Details zu diesem Werk

Eichenholz 15.2cm x 12.1cm (Bild) 34cm x 30.5cm (Rahmen) Erworben 1888 aus der Sammlung Hudtwalcker-Wesselhoeft Inv. Nr.: HK-235 Sammlung: Alte Meister

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