
Philipp Otto Runge
Selbstbildnis im blauen Rock, 1805
Runge tritt uns auf diesem Kniestück im Dreiviertelprofil entgegen. Mit überschlagenen Beinen sitzt er auf einem Stuhl vor hellbraunem Hintergrund. Titelgebend inszeniert sich der Künstler auffallend farbbetont in einer kompliziert verschränkten Körperhaltung im blauen Rock, unter dem das weiße Hemd und ein roter Schal hervorscheinen. Nachdenklich schaut er aus dem Bildraum heraus und dabei leicht am Betrachter vorbei.
Der Dualismus der offenen Körperhaltung, mit der er sich gleichsam von uns abwendet, lässt die innere Zerrissenheit Runges erahnen, die aus dem betont melancholischen und kontemplativen Gestus des gestützten Kopfes spricht. Der Darstellung des denkenden Künstlers im Moment der Selbstreflexion widersetzt sich Runge jedoch durch seinen klaren, selbstbewussten Blick. Das „Selbstbildnis im blauen Rock“ steht in einer Reihe von Selbstporträts, die eine bedeutende Rolle in seinem Œuvre innehaben. Runges Bruder Daniel empfand das vorliegende Bildnis als das gelungenste. Das kleine Format des Gemäldes lässt einen privaten Entstehungszweck vermuten. Dennoch ist dieses Porträt neben Runges „Triumph des Amor“ (Hamburger Kunsthalle, Inv.-Nr. HK-2691) das einzige Werk des Künstlers, das er zu Lebzeiten in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentierte.
Amelie Baader