Max Beckmann
Bildnis Frau Pagel, 1907
Das psychologisierende Porträt fokussiert auf das Innenleben der Dargestellten: Ihr Blick ist träumerisch in die Ferne gerichtet, sie scheint tief in Gedanken versunken. Schützend hat sie die ineinander verschränkten Arme auf ihren gewölbten Bauch gelegt. Im September des Jahres 1907 sollte Frau Pagel eines ihrer zwölf Kinder bekommen. Die Schultern der hart arbeitenden Fischersfrau sind leicht gebückt, ihre Wangen von Wind und Wetter gerötet, die Hände von körperlichen Anstrengungen gezeichnet. Frau Pagel trägt ein hochgeschlossenes violettes Kleid mit ausgestellten Armen, die Haare sind zurückgebunden, nur eine einzelne Strähne lockert die strenge Gesamterscheinung auf.
Max Beckmann verbrachte den Sommer 1907 gemeinsam mit seinem Malerkollegen Caesar Kunwald in Vietzkerstrand an der Ostsee und wohnte im Haus der Familie Pagel, die regelmäßig Sommergäste aufnahm. Beckmanns erste Ehefrau, die Malerin Minna Tube erinnerte sich, dass ihn »der Ausdruck der Schwangeren [reizte] und die Blässe hinter den Wangen, wo für gewöhnlich das Kopftuch saß.« Die genaue Beobachtung und die Liebe zum Detail sind diesem Porträt abzulesen.
Ann-Kathrin Hubrich
Dieses Werk befindet sich im Online-Werkverzeichnis „Max Beckmann. Die Gemälde“: https://www.beckmann-gemaelde.org/078-bildnis-frau-pagel