Franz Radziwill
Selbstbildnis mit weißer Kappe, 1924
Mit ernstem Blick, einem gebundenen Blätterstapel in der Hand und einer weißen Schildkappe posiert Franz Radziwill neben einem von Vorhängen gesäumten, geheimnisvoll verdunkelten Fensterausblick. Der Maler, der seit 1920 Freundschaften zu den Hamburger Kunsthistorikern Rosa Schapire und Wilhelm Niemeyer pflegte, konzipierte dieses Gemälde als Gegenstück zu einem Porträt Niemeyers. Die beiden Männer hatten sich 1924 erstmals gegenseitig in Hamburg und Dangast besucht und Radziwill daraufhin die beiden Werke begonnen. In einem Brief schrieb er an den Freund: »Dann sah ich dein Bild an und es wuchs weit über die Person allein hinaus. Es ist fertig und morgen wird der Pinsel ihm einen letzten Atem über den Raum spannen. Dann ist ein Werk über einen hohen Freund entstanden. […] Neben deinem Bild liegt das meinige in den letzten Wehen – Zwillinge.« Während Radziwill den Freund Niemeyer in seinem eigenen Wohnort Dangast darstellte, malte er sich selbst in dessen vertrauter Hamburger Umgebung mit Ausblick auf eine Häuserzeile in der Hartwicusstraße nahe der Alster. Beide Gemälde befanden sich zunächst im Besitz Niemeyers. Während sich die Spur von dessen Bildnis jedoch noch in den 1920er Jahren verlor, fand das Selbstporträt Radziwills seinen Weg als Dauerleihgabe in die Hamburger Kunsthalle.
Inga Dreesen