Elfriede Lohse-Wächtler
Selbstbildnis, 1931
Mit ernstem Gesichtsausdruck, markanten Zügen und sezierendem Blick, der durch die Betrachtenden hindurchzuschauen scheint, malte sich Elfriede Lohse-Wächtler im Jahr 1931 in einem Selbstbildnis. Die 32-jährige Künstlerin positionierte sich mittig in einem engen, beinahe quadratisch gewählten Bildausschnitt. Der nur bis zum Schlüsselbein sichtbare muskulöse Oberkörper lässt erahnen, dass die Dargestellte nackt ist. Ihr Gesicht ist ungeschminkt, die Kurzhaarfrisur schlicht. Durch den einheitlich dunklen Hintergrund ist die Szene zeitlich oder räumlich kaum einzuordnen. Es wirkt, als sollten wir uns ganz und gar auf die Ernsthaftigkeit dieses Menschen konzentrieren, unabhängig von gesellschaftlichem Rang oder Geschlechtszugehörigkeit – Lohse-Wächtler malte häufig unter dem Pseudonym Nikolaus Wächtler, was ihr den Spitznamen »Laus« einbrachte. Die Farbspuren, die in der rechten oberen Ecke des Gemäldes in lockerem Duktus eingefügt sind und im Kontrast zu dem ausgeprägten Verismus des Bildes stehen, mögen auf die Profession der Dargestellten als Malerin verweisen. Vielleicht bilden sie aber auch ein florales Moment, das die empfindsame Zartheit hinter der herben Erscheinung sichtbar machen soll.
Inga Dreesen