Elfriede Lohse-Wächtler
Selbstbildnis mit Zigarette, 1931
Stark hebt sich die helle Haut von den dunkleren Farbpartien des Hintergrundes, der Haare und der Kleidung in Elfriede Lohse-Wächtlers Selbstbildnis ab. Durch die blauen Schatten und harten Konturen wirkt das markante Gesicht der Dargestellten geisterhaft fahl, doch ist ihr Blick aus tiefen Augenhöhlen entschlossen. Die rot geschminkten Lippen, die Kurzhaarfrisur und die herausfordernd präsentierte Zigarette verweisen auf die Vorstellung einer emanzipierten, unabhängigen »Neuen Frau« in der Weimarer Republik. Elfriede Lohse-Wächtler hatte Kurse an der Kunstgewerbeschule und der Kunstakademie Dresden belegt, war Mitglied der »Dresdner Sezession« und hatte sich nie von der Kunst abbringen lassen – trotz privater Rückschläge und mehrerer Aufenthalte in Nervenheilanstalten. 1935 wurde Lohse-Wächtler wegen ihrer psychischen Erkrankungen durch die Nationalsozialisten entmündigt und zwangssterilisiert, fünf Jahre später folgte die Deportation und Ermordung in der Anstalt Pirna-Sonnenstein. Elfriede Lohse-Wächtlers »Selbstbildnis mit Zigarette« von 1931 zeigt die 32-jährige Malerin zum Ende ihrer Hamburger Zeit, in der sie in einer kreativen Hochphase das Rotlichtmilieu von St. Pauli studiert und sich dabei entschieden über bürgerliche Konventionen hinweg gesetzt hatte.
Inga Dreesen