Robert Desnos

La mort de Max Ernst, 1923

Schon als Jugendlicher verließ Robert Desnos sein Elternhaus und leistete einen zweijährigen Militärdienst in Französisch-Marokko. 1919 schloss sich der junge Schriftsteller dem Pariser Zweig der Dada-Bewegung an, die nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs gegen die bürgerliche Gesellschaft, überkommene Werte und die Kunsttradition revoltierte. Provokativ wandte sich die »Anti-Kunst« dem Zweifel, der Willkür, dem Zufall zu. Die Skepsis gegenüber einer rational-logischen Wirklichkeit setzte sich im französischen Surrealismus fort, der sich um 1921 teilweise aus Dada-Kreisen formte. Die Bewegung war von Literaten bestimmt, doch gehörten ihr auch Maler an, wie etwa der Deutsche Max Ernst.

Die Surrealisten wollten das ganze Leben in den Blick nehmen, nicht nur das Sichtbare, die Vernunft und Ordnung, sondern auch das Unbewusste und Verdrängte. Die Fantasie sowie der Traum sollten helfen, die Welt neu zu definieren. Im Herbst 1922 versetzte man sich gemeinsam in »Schlafzustände«, um das Innerste zu erkunden und danach »automatisch«, ohne Überlegung, zu schreiben oder zu zeichnen. Desnos erwies sich als besonders begabtes Medium und verfasste zahlreiche Traumprotokolle.

Wenige Gemälde entstanden in dieser Zeit, darunter Der Tod von Max Ernst.1 Während Ernst den Kollegen Desnos mehrfach porträtierte, schuf der Dichter in seinem Werk kein Bildnis des Malers. Er betrauerte darin auch nicht wirklich das Ableben von Ernst, der erst 1976 starb, sondern zitierte Motive aus einem Hypnosezustand. Scheint das Bild zunächst eine sonnenbeschiene Landschaft mit grüner Anhöhe zu zeigen, fügen sich seine Teile doch zu keinem stimmigen Zusammenhang. In widersprüchlichen Perspektiven und Proportionen erscheinen Treppe, Haus, Hand, Kreuz, Figur oder Zielscheibe wie in einem Traum als rätselhafte Zeichen, die zur Assoziation und Deutung anregen. Selbst die Schrift verunklärt mehr als sie erklärt – und lässt Ernst spielerisch noch zur weiblichen »Ernestine« werden.

Robert Desnos war später in der Widerstandsbewegung gegen die deutsche Besatzung Frankreichs aktiv und wurde 1944 von den Nationalsozialisten verhaftet. Wenige Wochen nach der Befreiung starb er im Konzentrationslager Theresienstadt.

Karin Schick

1 Vgl. Max Ernst. Das Rendezvous der Freunde, hrsg. v. Ludger Derenthal u.a., Ausst.-Kat. Museum Ludwig, Köln, Bonn 1991, S. 330, sowie Uwe M. Schneede, Die Kunst des Surrealismus. Malerei, Skulptur, Dichtung, Fotografie und Film, München 2006, S. 27.

Details zu diesem Werk

Öl auf Leinwand 81.5cm x 62.5cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, Dauerleihgabe aus Privatsammlung, Hamburg Inv. Nr.: HK-200502 Sammlung: Klassische Moderne © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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