
Lawrence Alma-Tadema
Das Fest der Weinlese, 1871
Das reiche Londoner Bürgertum liebte die luxuriösen Historiengemälde Alma-Tademas – gleich vier davon gelangten 1910 mit der Sammlung des Bankiers John Henry Schröder in die Kunsthalle, darunter das Fest der Weinlese, das den Beginn der Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Bacchuskult markiert. Vor einer Prachtkulisse aus Marmor zieht das Gefolge des Weingottes vorüber: Mänaden und Amphorenträger, Thyrsosstäbe, Doppelflöten und Efeu sind der antiken Reliefkunst verpflichtet. Artefakte, die der Künstler mit archäologischer Sorgfalt in einem fotografischen Archiv sammelte, bilden die erlesene Prunkausstattung der römischen Villa. Ein Freskenfragment und der Name des Patriziers Holconius Rufus in einer Fußbodeninschrift verweisen auf Pompeji, dessen Ausgrabung die Phantasie der Zeitgenossen beflügelte und das als Inbegriff von Luxus und Dekadenz galt. Die Priesterin mit rotem Haar und die Orientalen im Hintergrund überführen den antiken Kult ins Britische Empire des Viktorianischen Zeitalters, das im Römischen Reich sein Vorbild erblickte.
Neela Struck