Alexandra Povorina (-Hestermann)
Landschaft mit rotem Haus, 1915
Alexandra Povorina wurde in St. Petersburg geboren. Auf Vermittlung der russischen Expressionistin Marianne von Werefkin nahm sie 1907 zunächst ein Studium in München an der privaten Malschule von Simon Hollósy auf. Inspirierende Unterhaltung bot ihr der Kreis der »Giselisten«, der sich um Werefkin gebildet hatte und der als anspruchsvollster Kunstsalon der Stadt galt. Zu den Teilnehmenden gehörten die späteren Gründungsmitglieder des »Blauen Reiter«. Im Jahr 1911 ging Povorina nach Paris, Anziehungspunkt war das Atelier der Matisse-Schülerin Marie Wassiliewa. Hier, im »Russenatelier«, verkehrten nahezu alle wichtigen Künstler*innen der Avantgarde – zweifellos erlebte die junge Malerin prägende Begegnungen. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 verließ sie Paris und ging nach Hamburg zu ihrem späteren Ehemann Friedrich Ahlers-Hestermann. Noch im Gründungsjahr 1919 wurde Povorina Mitglied der Hamburgischen Sezession.
Ein Jahr nach der Übersiedelung nach Hamburg entstand das Gemälde »Landschaft mit rotem Haus«. Es zeigt Povorinas Auseinandersetzung mit Künstlern wie Paul Cézanne und Paul Gauguin, deren Werke sie in Paris gesehen hatte: Im Vordergrund steht ein Baum. Er verästelt sich über die Fläche und wird in Verbindung mit dem Dachaufbau eines dahinter liegenden Hauses zu einem fast abstrakten Bildzeichen. Zugleich verklammert er die Bildebenen miteinander. Die Häuser bleiben gegenständlich, erscheinen in der Gesamtheit des Bildes aber auch als gestaffelte geometrische Formen. Diese stellen sich einem räumlichen Tiefenzug entgegen und binden die Darstellung in die Fläche – eine Wirkung, die die meisten Künstler*innen der Moderne anstrebten.
Gabriele Himmelmann