
Max Liebermann
Selbstbildnis, 1909 - 1910
Innehaltend, mit kritisch-prüfendem Blick zeigt sich Liebermann lebensgroß. An die Wand gelehnte Keilrahmen, ein Spiegel im Hintergrund und der weiße Malerkittel verweisen auf seine Profession, wenngleich die Hand statt Pinsel und Palette gerade eine Zigarette hält – Arbeitspause. Die Körperhaltung ist lässig und doch wirkt sie formvollendet und distanziert, ein Eindruck, der durch den korrekten Anzug, Weste, Krawatte und das weiße Hemd unter dem Kittel unterstützt wird: Zu Ruhm gekommen ist der deutsche Impressionist und begehrte Porträtist. Die pastose Alla-prima- Malerei, die er mit großzügigen Pinselzügen auf den Malgrund auftrug, verweist auf sein Können. Als Mitbegründer und langjähriger Präsident der Berliner Secession verhalf er der neuen Malerei auch zu gesellschaftlicher Wertschätzung. Doch mustert sich der 62-Jährige hier im letzten Jahr seiner Präsidentschaft, denn in der Künstlervereinigung schwelte bereits ein Generationenkonflikt zwischen den Impressionisten und den Expressionisten.
Annabelle Görgen