Jacob Isaacksz. van Ruisdael

Landschaft mit einer Hütte, 1646

Ruisdael, einer der führenden niederländischen Landschaftsmaler des 17. Jahrhunderts, fand viele seiner Motive auf Reisen durch das deutsch-holländische Grenzgebiet. Die Waldlandschaft aus seinem Frühwerk entstand noch in Haarlem. Auf einer Lichtung links im Mittelgrund legt eine Frau ein Leinentuch zur Bleiche auf dem Boden aus. Ein Mann schaut ihr bei der Arbeit zu, davor kümmert sich ein Hirte um sein Vieh. Eine Frau tritt aus einer mit Moos bedeckten Hütte. Der kleine Bach trennt die Szene von einem dichten Walddickicht mit einer verfallenen Hütte. Im Hintergrund fällt der Blick auf eine ferne, lichtdurchflutete Dünenlandschaft. Das Licht fällt auch auf die beschnittene, knorrige Weide im Vordergrund. Der Betrachter fühlt sich als Spaziergänger in der Natur. Und doch ist die Landschaft nicht real, sondern eher eine Idealansicht, in der Ruisdael pittoreske Motive unter einem bewegten Wolkenhimmel zusammenfügt. Seine naturalistischen und poetischen Schilderungen der Natur wirkten bis auf die Landschaftsmalerei der deutschen Romantik.

Sandra Pisot
Das undurchdringliche Gehölz mit der sonnenbeschienenen Weide und dem verfallenen Bretterverschlag trennt ein sumpfiger Graben von einer flachen Polderlandschaft mit Blick auf ferne Dünen in hellem Licht. Im Mittelgrund steht eine moosbedeckte Hütte, die Frau in der Tür wendet sich einem Hirten mit zwei Rindern und Schweinen zu. Links legt eine Frau ein Laken zum Bleichen aus, an ihrer Seite steht ein Mann.
Die frühesten datierten Landschaften Ruisdaels entstanden 1646, zwei Jahre vor seinem Eintritt in die Haarlemer Malergilde; neben der Landschaft mit Hütte führt Slive weitere zwölf Bilder aus diesem Jahr an. Von 1647 sind sechzehn datierte Gemälde bekannt.4 Die naturgetreue Wiedergabe der beschnittenen Weide (Salis fragilis), die sich im Wasser spiegelt, läßt Ruisdaels Bestreben einer botanisch exakten Naturdarstellung erkennen.5 Zu diesem Zweck fertigte er Studien nach der Natur an, wie zwei Zeichnungen mit Weiden von 1646 zeigen.6 Bei der malerischen Umsetzung ließ er die ockerfarbene Grundierung zum Teil stehen; auch an anderen Stellen scheint die Grundierung und
die Holzstruktur hindurch. Die Lichtreflexe im Blattwerk wurden durch Einritzungen in die nasse Farbe erzielt.
Von den gleichzeitig gemalten Dünenlandschaften kommt die Landschaft mit Hütten, Dünen und Weiden7 der Komposition von Inv. 159 am nächsten. Die nach Vollendung der Landschaft eingefügte Staffage wurde wiederholt Nicolaes Berchem zugeschrieben. Schaar hielt die Figuren zu Recht für eigenhändig.8

Thomas Ketelsen 2001

1 S. Ausst. Kat. Jacob van Ruisdael 1981, S. 13-26.
2 Die Echtheit der Signatur wurde von Hofstede de Groot bezweifelt.
3 Victor Bauer vermutete, daß die Gruppe der Tiere mit dem Hirten eine Hinzufügung des 18. Jhs. sei, die im 19. Jh. übermalt wurde. Bei Abnahme der Übermalungen blieb am Rücken des weißen Rindes ein Rest stehen (Restaurierungsbericht vom
25. 4. 1934).
4 Ausst. Kat. Jacob van Ruisdael 1981, S. 20.
5 Wegener 1997, S. 115.
6 J. Giltaij, De tekeningen van Jacob van Ruisdael, in: Oud Holland 94, 1980, S. 201, Nr. 105, 108; Ausst. Kat. Jacob van Ruisdael 1981, S. 168, Abb. 65, 66.
7 Lw., 75 x 106 cm, Slg. Major Simon Whitbread, Southhill,
Biggleswade; Ausst. Kat. Jacob van Ruisdael 1981, S. 29,
Abb. 6. Vgl. auch Holz, 49,5 x 68,5 cm, Cleveland Museum of Art, Inv. 67.19; European Paintings of the 16th, 17th, and 18th Centuries, bearb. v. A. Tzentschler Lurie u. a., Cleveland 1982,
S. 266 f., Nr. 117, mit Hinweis auf Inv. 159.
8 Schaar 1958, S. 36, Anm. 32.

Ausst.: Das Bild der Landschaft, Hamburger Kunsthalle 1934, S. 25, Nr. 16; Jacob van Ruisdael, bearb. v. Seymour Slive, H. R. Hoetink, Mauritshuis, Den Haag, The Fogg Art Museum, Harvard University, Cambridge (Mass.) 1981,
S. 28 f., Nr. 1.
Lit.: Handschriftlicher Katalog der Slg. Johannes Amsinck 1836, Nr. 10; Verzeichnis 1880, S. 22, Nr. 148 (Staffage von Adriaen van de Velde); Arnold Bredius, Die Ausstellung alter Gemälde aus sächsischem Privatbesitz in Leipzig, in: Zeitschrift für Bildende Kunst, 1890, S. 191 (Staffage von Berchem); Hofstede de Groot, Bd. 4, 1911, S. 243, Nr. 806, (Staffage von Berchem); Katalog 1918, S. 136; Katalog 1921, S. 141; Kurt Erich Simon, Jacob van Ruisdael. Eine Darstellung seiner Entwicklung, Berlin 1927, S. 15, 17 (Staffage von Berchem); Jakob Rosenberg, Jacob van Ruisdael, Berlin 1928, S. 16 f., 103 f., Nr. 503 (Staffage von Berchem); Katalog 1930, S. 130 f.; Hermann Beenken, Die Landschaftsschau Jakob van Ruisdaels, in: Neue Beiträge deutscher Forschung. Wilhelm Worringer zum 60. Geburtstag, hrsg. v. Erich Fidder, Königsberg 1943, S. 6 f., Abb. 6; Katalog 1956, S. 27 f.; Eckard Schaar, Studien zu Nicolaes Berchem, Phil. Diss. Köln 1958, S. 36, Anm. 32; Katalog 1966, S. 133 f.; Wolfgang Stechow, Dutch Landscape Painting of the Seventeenth Century, London 1966, S. 29, Abb. 35; Meisterwerke 1969, Abb. 84; Winfried Schmidt, Studien zur Landschaftskunst Jacob van Ruisdaels. Frühwerke und Wanderjahre, Hildesheim/New York 1981, S. 4, Abb. 1, S. 15-19; Peter Ashton u. a., Jacob van Ruisdael's Trees, in: Arnoldiana 42, 1982, H. 1, S. 21 f., Abb. 18; Peter C. Sutton, Introduction, in: Masters of the 17th-Century Dutch Landscape Painting, bearb. v. Peter C. Sutton, Ausst. Kat. Rijksmuseum, Amsterdam u. a. 1987/88, S. 50, Abb. 63; E. John Walford, Jacob van Ruisdael and the Perception of Landscape, New Haven/London 1991, S. 59-63; Jacob van Ruisdael in Bentheim, bearb. v. Nils Büttner, Gerd Unverfehrt, Ausst. Kat. Museumsverein für die Grafschaft Bentheim, Bielefeld 1993, S. 19, Abb. 4, S. 40, Anm. 68; Meisterwerke 1994, S. 38, Abb.; Hamburger Kunsthalle 1997, S. 28, Abb.; Ulrike Wegener, Zur Landschaftskonzeption Jacob van Ruisdaels. Bilderfindung und Naturbeobachtung, in: Niederdeutsche Beiträge 36, 1997, S. 113-115, Abb. 1; Friedrich Gross, Palast & Hütte, in: Entdeckungen in der Hamburger Kunsthalle. Essays zu Ehren von Helmut R. Leppien, Hamburg 1999, S. 35-39, Abb. 2.

Details zu diesem Werk

Öl auf Eichenholz 71.8cm x 101cm (Bild) 98cm x 125.5cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, Vermächtnis Johannes Amsinck, 1879 Inv. Nr.: HK-159 Sammlung: Alte Meister © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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