Hans Makart

Der Einzug Kaiser Karls V. in Antwerpen, 1878

Dürers Bemerkung im Tagebuch seiner Reise in die Niederlande inspirierte vermutlich Makart zu diesem Gemälde. Dürer hatte 1520 den Einzug des Kaisers in Antwerpen erlebt. Wie eine ebenfalls der Kunsthalle gehörende Studie von 1876/1877 zeigt, hatte Makart ursprünglich den Hafen mit seinen Schiffsmasten als Hintergrund vorgesehen und den Einzug im Gegensinn angelegt. Makarts Darstellung dieses Ereignisses ist historisierend. Dürer hatte in einem Brief an Melanchthon die fast unbekleideten Ehrenjungfrauen, wohl Verkörperungen von Allegorien, erwähnt, doch hinzugefügt, der Kaiser habe kaum hingesehen. Makart dagegen gruppierte sie in der Mitte dicht um das Pferd des Kaisers, eine Komposition, die an die Venezianer und Rubens denken lässt. In den prächtigen Kostümen vereinen sich Renaissance- und Gründerzeit-Stil. Als 1877 Rubens dreihundertster Geburtstag gefeiert wurde, reiste Makart zusammen mit F. A. Kaulbach und Franz Lenbach hierzu nach Flandern. Die Einrücke dieser Reise mögen ihn motiviert haben, dieses riesige Bild so zügig fertig zu stellen. Das fünfzig Quadratmeter große Gemälde wurde im Februar 1878 beendet und gleich darauf im Wiener Künstlerhaus ausgestellt, wo sich innerhalb weniger Tage 34.000 Menschen davor drängten. Vom 1. Mai bis 31. Oktober war das Bild auf der Weltausstellung in Paris zu sehen und Makart wurde mit der großen Medaille d’honneur geehrt. Noch im selben Jahr ernannte der Kaiser Makart zum Professor an der Akademie in Wien. Allerdings provozierte sein Bild in seiner Heimatstadt einen nicht geringen Aufruhr. Denn eine gewisse Pikanterie erhielt die Darstellung dadurch, dass auf ihr etliche stadtbekannte Persönlichkeiten zu erkennen waren, darunter als voranschreitende, blumenstreuende Schöne das bevorzugte Modell Makarts, Hanna Klinkosch, die spätere Fürstin Liechtenstein. Der Künstler selbst erscheint direkt über ihr, rechts neben dem Kopf des Pferdes. Dürer, der historische Augenzeuge des Geschehens, steht links unter der Tribüne. Aber vor allem das Gerücht, die dargestellten nackten Jungfrauen ähnelten bekannten Damen der bürgerlichen Wiener Gesellschaft, hatte einen Skandal zur Folge, bei dem Scheidungsklagen eingereicht, Duelle zwischen jungen Verehrern und den Ehemännern der Dargestellten ausgetragen wurden und sogar einige Selbstmorde verübt worden sein sollen. Das anspielungsreiche Gemälde wurde bald von einem privaten Sammler erworben, der es jedoch, auch wegen seiner Größe, bereits 1881 der Hamburger Kunsthalle anbot. Der seinerzeitige Enthusiasmus für Makarts rauschende Festillustrationen machte ihn nicht nur in Österreich zu einem der bekanntesten Maler seiner Generation.
Martina Sitt

Details zu diesem Werk

Öl auf Leinwand 520cm x 952cm (Bild) 568cm x 995cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, erworben mit Mitteln aus dem Vermächtnis von Beer Carl Heine (1810–1865), 1881 Inv. Nr.: HK-1515 Sammlung: 19. Jahrhundert © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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