Anselm Feuerbach
Ferdinand von Keller

Das Urteil des Paris, 1870

1863 schrieb Feuerbach seiner Mutter aus Rom, er habe ein Bild der Bianca Capello entworfen. Gerade war ein Buch über die Venezianerin erschienen, der Geliebten Francesco de Medicis, später seiner zweiten Ehefrau. Zusammen mit Francesco wurde sie 1587 von dessen erbberechtigtem Bruder Kardinal Fernando de Medici vergiftet. Feuerbach mag ein Portrait der Bianca gekannt haben, das Allori zugeschrieben war und sich in den Uffizien in Florenz befand. In jedem Fall zeigt er sie in einer vergleichbaren Pose vor dem Fuß eines Pilasters in einem schräg gestellten Lehnstuhl sitzend. Der überlieferte melancholische Ernst Biancas, der auch charakteristisch war für Feuerbachs Modell und Geliebte Anna Risi, mag ihn zum Vergleich angeregt haben. 1868 verließ ihn Anna und Feuerbach gab Bianca die Züge seines neuen Modells Lucia Brunacci. Als er an dem Urteil des Paris in Rom im September 1869 zu arbeiten begann, bevorzugte er jedoch immer noch Anna, um die Schönheit der Aphrodite zu verkörpern. In arkadischer Landschaft sind die drei Göttinnen versammelt. Genien umgeben sie. Hera mit dem Pfau nimmt die Mitte ein, Athena mit dem Speer öffnet ihr Kleid an der Schulterschließe, Aphrodite, von hinten gesehen, blickt in den Spiegel. Paris, welcher der schönsten unter den Göttinnen den goldenen Apfel überreichen soll, ist an den Rand und in den Schatten gerückt; er wirkt wie teilnahmslos. Nicht er, sondern der fliegende Genius zeigt die Entscheidung für Aphrodite an. Für Feuerbach war dieses Gemälde „das heiterste Bild, welches ich in meinem Leben gemalt habe”, und er sah die ‚ursprüngliche Naturwüchsigkeit‘ des Urteil des Paris als Kontrast zu der heroischen Abbildung der Medea, die in einem schmaleren Format für die Pinakothek in München entstand. 1870 wurde das Urteil des Paris nach Heidelberg gebracht, dort entrollt und von Feuerbach mehrfach überarbeitet, bis er es schließlich im Herbst in Berlin ausstellte. Angekauft für eine Privatsammlung in Hannover, erwies es sich als viel zu groß für einen privaten Raum und wurde somit der Hamburger Kunsthalle geschenkt. Nachdem das Urteil des Paris im Jahr 2000 vollständig restauriert worden war, konnte es erstmals wieder zusammen mit der Medea 2001 in München ausgestellt werden.
Martina Sitt

Details zu diesem Werk

Öl auf Leinwand 228cm x 443cm (Bild) 265cm x 477cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, Geschenk von Conrad Heinrich Schöffer, 1882 Inv. Nr.: HK-1465 Sammlung: 19. Jahrhundert © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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