Anton Paulsen

Matthias Lütken, 1718

Das früher für ein Portrait Barthold Jencquels gehaltene Halbfigurbildnis Inv. 129 stellt den Hamburger Kaufherrn Matthias Lütken (1652-1722) dar, von dem sich ein mit ausführlicher Inschrift auf dem Rahmen versehenes Portrait in St. Severin in Kirchwerder bei Hamburg befindet.1 Er ist mit leicht nach rechts gewandtem Kopf dargestellt, trägt eine lange, gepuderte Allongeperücke und einen blauen Samtmantel über einer rosa Seidenweste. Inv. 130 gilt als Pendant und wurde daher früher für ein Portrait der Ehefrau Barthold Jencquels gehalten. Angesichts der Identifizierung von Inv. 129 als Matthias Lütken muss es sich um ein Bildnis seiner Frau Barbara Lütken (geb. Dunte, 1664-1740) handeln, obwohl die Altersangabe auf dem datierten Gemälde ein leicht abweichendes Geburtsjahr 1662 voraussetzt.
Inv. 129 und 130 stellen die frühesten bekannten Arbeiten Paulsens dar. Der leicht gedrehte Oberkörper mit angewinkeltem oder aufgestütztem Arm und die betonte Stofflichkeit des Samtmantels verraten den Einfluss der zeitgenössischen französischen Bildnismalerei der Hofkünstler Nicolas de Largillière und Hyacinthe Rigaud.2
Gegenüber den meist zurückhaltender formulierten bürgerlichen Portraits der Zeit von Denner und später auch van der Smissen stellt Paulsen das Standesbewusstsein des wohlhabenden Kaufmanns mit ungleich größerer Repräsentativität heraus. Dies geschieht sowohl durch die bildfüllende, selbstbewusste Haltung Lütkens als auch durch die Sorgfältigkeit, mit der das schlichte, aber kostspielige Gewand, kaum weniger detailliert wiedergegeben als die Gesichtspartie, dargestellt ist.
Stärker noch als im Portrait des Mannes dominiert in Inv. 130 das hier ausladende, dekolletierte Gewand der Dargestellten den Gesamteindruck, in dem die matronenhafte Nüchternheit des Gesichts mit der Üppigkeit der kostbaren Toilette aus rotem Samtkleid und grünem, goldbesticktem Samtumhang kontrastiert. Das Bildnis definiert soziales Prestige über luxuriöse Kleidung und deren kunstvolle, an der Aristokratie ausgerichtete Zurschaustellung.
Wie in vielen Halbportraits von Paulsen ist die Darstellung durch einen rund profilierten, gemalten Steinrahmen im Oval begrenzt. Eine Kopie nach dem Portrait Inv. 129 ist Inv. 551, eine weitere befand sich in Hamburger Privatbesitz.3 Mit Inv. 552 besitzt die Kunsthalle auch eine zeitgenössische Kopie nach Inv. 130. G. W.

1 Unbekannter Künstler, Lw., 83 x 64 cm; siehe Katalog 1956,
S. 117.
2 Siehe Haak 2001, S. 155 f.
3 Vgl. Katalog 1966, S. 122.

AUSST.: Einführung 1905, S. 79, Nr. 393 (als Brustbild eines Herrn), S. 80, Nr. 394 (als Brustbild einer Dame); Jahrhundert-Ausstellung deutscher Kunst 1650-1800, Residenzschloss Darmstadt 1914, S. 113, Nr. A 471
(Inv. 130).
LIT.: Verzeichnis 1869, S. 50, Nr. 261 (als männliches Brustbild); Alfred Lichtwark, Kunsthalle zu Hamburg. Zur Wieder-Eröffnung am 23. Dezember 1890, München 1890, S. 26; Lichtwark 1898, Bd. 1, S. 150-153; Georg Biermann (Hrsg.), Deutsches Barock und Rokoko, 2 Bde., Leipzig 1914, Bd. 1, S. 107, Abb. 174; Bd. 2, S. XL (Inv. 130); Katalog 1918, S. 121; Katalog 1921, S. 125-127; Pauli 1925,
Taf. 5 (Inv. 130); Katalog 1930, S. 117 (Bildnis eines älteren Herrn [Barthold Jencquel?]), S. 118 (Bildnis einer älteren Dame [Frau Jencquel?]); Albert Schröder, Anton Paulsen, in: Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte 34, 1934, S. 178 f., Abb. (als Herren- und Damenbildnis); Katalog 1956, S. 117 f. (Matthias und Barbara Lütken);
Irmgard Schlebs, Vom Spätbarock zum Rokoko, in: Nordelbingen 28/29, 1960, S. 116 (Inv. 130), S. 122 (Inv. 129); Katalog 1966, S. 122; Christina Haak, Das barocke Bildnis in Norddeutschland. Erscheinungsform und Typologie im Spannungsfeld internationaler Strömungen, Phil. Diss. Münster 1999, Frankfurt a. M. [u. a.] 2001, S. 266, Nr. HH 21, Abb. 99 (Inv. 129), Abb. 100 (Inv. 130).

Details zu diesem Werk

Leinwand 80.5cm x 65.5cm (Bild) x (Rahmen) Inv. Nr.: HK-129 Sammlung: Alte Meister © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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