Caspar David Friedrich

Das brennende Neubrandenburg, um 1834

Obgleich unvollendet geblieben und nicht über die Unterzeichnung hinaus gediehen, spricht aus diesem Spätwerk Friedrichs die visionäre Dimension seiner Kunst. Über abgeerntete Felder und einen Weg, der auf das Friedländer Tor zuführt, blicken wir auf die Silhouette der Stadt Neubrandenburg. Deutlich sind einige der hinter dem Laubbaumgürtel aufragenden Gebäude zu erkennen. Dominiert wird das Stadtbild von der Marienkirche, der gotischen Hauptkirche der Stadt. In bewusster Abweichung von der damaligen baulichen Situation hat Friedrich dem weithin sichtbaren Turm das oberste Geschoss hinzugefügt und dabei den barocken Turmabschluss in einen neugotischen transformiert. Zunächst irritierend wirkt die an der Turmspitze zu erkennende Rauchfahne. Weitere Qualmwolken steigen jedoch auch aus dem Dach der Kirche auf, das im oberen Bereich zum Teil abgedeckt ist. Wie weitere Schwaden an anderen Stellen deutlich machen, steht nicht nur das Gotteshaus, sondern bereits die ganze Stadt in Flammen. Friedrich inszenierte einen imaginären Brand, bezog sich mit diesem aber womöglich auf die historisch verbürgten Stadtbrände der Jahre 1631, 1676 und 1737. Oberhalb der vom Rauch besetzten Bildzone ist eine breit gelagerte Wolkenformation zu sehen. Darüber klart der Himmel mehr und mehr auf und ist im oberen Bereich nahezu wolkenlos. Über dem Horizont geht gerade die Sonne auf, deren gelbe Strahlenbündel zunächst segmentförmig ausfächern, um weiter oben im kalten Hellblau des Himmels aufzugehen. Die Katastrophe sowie der unabänderliche Naturrhythmus werden auf verstörende Art und Weise miteinander kurzgeschlossen. Denkbar ist, dass Friedrich die Arbeit an dem Bild aufgrund seines Schlaganfalls, den er 1835 erlitt, einstellte.

Markus Bertsch

Details zu diesem Werk

Öl auf Leinwand 72.2cm x 101.3cm (Bild) 103cm x 132cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, erworben 1905 Inv. Nr.: HK-1050 Sammlung: 19. Jahrhundert © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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