Pieter Pietersz

Bildnis der Maria Claesdr Chijs, 1600

Das Bildnis stellt Maria Claesdr Chijs (1545 - nach 1602) im Alter von 55 Jahren dar. Sie war die Tochter von Claes Chijs, Pensionär von Middelburg, seit 1542 Schöffe der Stadt Amsterdam, und seiner Frau Maria Coerten. Aus ihrer Ehe mit dem Amsterdamer Kaufmann Job Cornelisz Coster (1544-1582) stammte ihr Sohn Claes Jobsz Chijs (1581-1605). Maria Chijs sitzt an einem Tisch neben einem Pilaster. Sie trägt ein schwarzes Kleid, einen pelzgefütterten Mantel, eine weiße Flügelhaube und eine breit gefältelte Halskrause. In den Händen auf dem Schoß hält sie ein rotes Gebetbuch. Vor einem olivgrünen Wandbehang im Hintergrund verläuft eine mit Nägeln befestigte Rahmenleiste. Die Inschrift auf dem Pilaster »Durch Güte und Treue wird Missetat versöhnt« geht auf einen Vers Salomos (Sprüche 16,6) zurück.
Ein Jahr zuvor, 1599, malte Pietersz das Bildnis ihres siebzehnjährigen Sohnes Claes mit dem Wappen des Großvaters Claes Chijs.2 Die ursprünglich feste Modellierung des Gesichts, der beinahe stechende Blick, der ornamentierte Pilaster und die schematische Wiedergabe der Möbel sind ebenfalls dort zu finden. Beide Bildnisse entstanden lange Zeit nach dem Tod des Ehemanns im Jahr 1582. Die unterschiedlichen Maße sprechen gegen die Annahme, es seien Pendants. Van den Brink nimmt an, Inv. 1 sei als Gegenstück zu einem verschollenen Bildnis des Ehemanns gemalt worden.
Beide Bildnisse befanden sich 1653 im Besitz von Frans Banning Cocq, der auf Rembrandts Nachtwache von 1642 in zentraler Position zu sehen ist. Die Identifizierung stand damals noch nicht in Frage, als Maler wurde »Pieter Aertsz. gezegt Lange Pieter« (Pieter Aertsen oder Pieter Pietersz) genannt.3 Die Bildnisse gelangten nach Schloß Ilpenstein, das 1618 von dem Schwiegervater Banning Cocqs erworben worden war. Nach dem Tod Cocqs 1678 kam Schloß Ilpenstein in den Besitz der Familie De Graeff, die Gemälde waren dort bis 1872 aufgestellt. Auf der Amsterdamer Auktion vom 3. 12. 1872 wurde als Maler von Inv. 1 Hendrik Goltzius genannt, für das Bildnis des Sohns dagegen Cornelis Cornelisz van Haarlem. Auf der Auktion der Slg. Mniszech 1902 wurden die Gemälde ohne Nennung der Dargestellten versteigert.4 Seitdem sind sie voneinander getrennt. Der Katalog der Slg. Weber 1907 nannte die Dargestellte Susanna Taymon, die Ehefrau des Christoffel Roels. Das Bildnis in Paris galt als das ihres Sohnes Willem Roels. Mit Hilfe des Wappens gelang es Kretschmar, die Dargestellten zu identifizieren.5
Auch die Kenntnis von Pietersz' Autorschaft geriet im 19. Jahrhundert in Vergessenheit. Die Zuschreibung an Cornelis Ketel zog bereits Woermann in Zweifel, er verwies auf vergleichbare Bildnisse von Jacob Willemsz Delft und Peter Isaacsz. Oldenburg schlug Aert Pietersz, den Bruder Pieters vor. Im Katalog 1930 wurde Inv. 1 dem Monogrammisten VBL zugeschrieben. Wescher hatte zuvor das Hamburger Bildnis zu Recht mit einem Familienbildnis in Berlin verglichen, die Initialen JVB (LVB?) auf diesem Bild jedoch irrtümlich als das Künstlermonogramm VBL aufgelöst.6 Die erneute Zuschreibung von Inv. 1 an Pietersz stammt von De Vries; das Bild in Berlin hat Ekkart ebenfalls diesem Maler überzeugend zugeschrieben.7
Vergleichbare Frauenbildnisse von Pietersz, entstanden 1588 und 1597, befinden sich in Amsterdam und Den Haag.8

Thomas Ketelsen 2001

1 De Vries 1934, S. 63-71; P. van den Brink, De Gortenteller van Pieter Pietersz. Een teruggevonden schilderij, in: Onverwacht bijeengebracht. Opstellen voor Ed Taverne en Lyckle de Vries, hrsg. v. J. L. de Jong, E. A. Koster, Groningen 1996, S. 13 f. Peter van den Brink stellte freundlicherweise seinen Katalogeintrag zu Inv. 1 vor Drucklegung seines Werkverzeichnisses zur Verfügung.
2 Holz, 81,5 x 65 cm, Musée du Louvre, Paris, Inv. M. N. R. 447; Katalog Paris 1979, S. 104. Im Katalog 1930, S. 110, der Hinweis auf eine mündl. Mitt. von Max J. Friedländer (5. 11. 1924), auf dem Pariser Bild seien vor der Verkleinerung des Formats »noch ein Mann und ein Kind dargestellt« gewesen.
3 Bruyn 1999, S. 108 f., Anm. 15.
4 So lautet der entsprechende Eintrag zu Inv. 1: »Très beau portrait de la femme du grand pensionnaire de Middelburg et provenant d'un chateau des environs de Purmerent, ancienne propriété du capitaine Banning Cocx, représenté par Rembrandt dans ca celebre ›Ronde de Nuit‹.« Freundl. Hinweis v. Gerlinde de Beer, Hamburg.
5 F. G. L. O. Kretschmar, briefl. Mitt. vom 2. 9. 1964 u.
29. 10. 1964; ferner Ekkart 1976, S. 16, Anm. 6.
6 Holz, 73 x 166 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Inv. II. 241; Katalog Berlin 1996, S. 97, Abb. 836.
7 Nach Ekkart 1976 ist der Verleger Laurens Jacobsz und seine Familie dargestellt. Das Monogramm JVB setze sich aus dem Anfangsbuchstaben des Vornamens und den Anfangsbuchstaben des Firmennamens (Vergulde Bijbel) zusammen.
8 Bildnis der Dirckje Tymansdr Gael, Holz, 107,5 x 85, dat. 1588, Rijksmuseum, Amsterdam, Inv. A 3865; Katalog Amsterdam 1976, S. 446. - Bildnis einer Unbekannten, Holz, 42 cm (Durchmesser), Mauritshuis, Den Haag, Inv. 1109; A. van Suchtelen, Twee portretten van Pieter Pietersz herenigd in het Mauritshuis, in: Album disciplorum J. R. J. van Asperen de Boer, Zwolle 1997, S. 203 ff., Abb. 1.

Lit.: Woermann 1907, S. 99 f., Nr. 102 (als Ketel); Rudolf Oldenburg, Thomas de Keysers Tätigkeit als Maler, Leipzig 1911, S. 17 (als Aert Pietersz); Lichtwark 1912, S. 20, Nr. 27 (als Ketel); Katalog 1918, S. 124 (als Aert Pietersz); Gustav Pauli, Die Sammlung Alter Meister in der Hamburger Kunsthalle, in: Zeitschrift für bildende Kunst N. F. 31, 1920, S. 186 f., Abb. 7 (als Aert Pietersz); Katalog 1921, S. 129 (als Aert Pietersz); Paul Wescher, Der Maler Pieter Pietersz. und sein Werk, in: Oud Holland 46, 1929, S. 170 (als Monogrammist VBL); Katalog 1930, S. 110 (als Monogrammist VBL); A. B. de Vries, Het Noord-Nederlandsch portret in de tweede helft van de 16e eeuw (Phil. Diss. Utrecht), Amsterdam 1934, S. 70 f., 129, Abb. 25; Godefridus Joannes Hoogewerff, De Noord-Nederlandsche Schilderkunst, 4 Bde., 's-Gravenhage 1936-1942, Bd. 4, S. 567-569, 70, Abb. 272; Katalog 1956, S. 119; Katalog 1966, S. 124; Rudolf E. O. Ekkart, Het Portret van een Amsterdamse uitgever en zijn gezin, in: Oud Holland 90, 1976, S. 15, Anm. 3, S. 16, Anm. 6; Josua Bruyn, Een portret van Pieter Aertsen en de Amsterdamse portretschilder-kunst 1550-1600, in: Oud Holland 113, 1999, S. 131, Anm. 15; Peter van den Brink, Werkverzeichnis der Gemälde von Pieter Pietersz, Nr. 4 (in Vorbereitung).

Details zu diesem Werk

Leinwand 114cm x 83.9cm (Bild) 143cm x 114cm (Rahmen) Inv. Nr.: HK-1 Sammlung: Alte Meister © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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