Sophie Calle
La Filature (The Shadow), 1981
Die Beschattung (Der Schatten)
La Filature (Die Beschattung) ist ein konzeptuelles Selbstporträt, in dem Calle die Schnittstelle zwischen privatem Selbstbild und öffentlichem Auftreten untersucht. Dazu ließ sie sich an einem ihr unbekannten Datum für die Dauer eines Tages von einem Privatdetektiv beschatten. Dem Detektiv war seinerseits nicht bewusst, dass die Beobachtete ihre Verfolgung selbst in Auftrag gegeben hatte. Auf zwei Tafeln sind die sachlich gehaltenen Beobachtungen und Schwarz-Weiß-Fotografien des Detektivs den eigenen Notizen Calles über den Tag der Beschattung gegenübergestellt. Dabei wird deutlich, dass Calle den Detektiv, sobald sie ihn bemerkt hat, ihrerseits in den Blick nimmt und die Gelegenheit nutzt, sich für ihn in „ihrem Paris“ in Szene zu setzen. Immer wieder neu entwickelt Calle das Bild von sich selbst im Bewusstsein des Beobachtet-Seins. So wird das Konzept einer persönlichen Identität als fließendes Konstrukt vorgestellt, das sich, performativ gestaltet, aus einem Wechselspiel von Fremdwahrnehmung und Selbstdarstellung zusammensetzt.
Daniel Koep
BK GdG 2007, Bd, V 1, S. 104
Text: Christoph Heinrich
Sophie Calle entwickelte die Ideen der Conceptual Art der siebziger Jahre weiter, bereicherte sie mit soziologischer Methode und thematisierte so die Suche nach Identität. Ihre Arbeit weist stets detektivischen Spürsinn auf, sie untersucht die Alltäglichkeit. Der sie selbst aufs Engste einschließende Prozess ist dabei genauso wichtig für das Verständnis ihrer Arbeit wie die Präsentation des Ergebnisses. La Filature (1981) gehört zu ihren frühesten Arbeiten und nimmt zugleich eine Schlüsselposition in ihrem OEuvre ein.
»Prendre quelqu' un en filature« heißt im übertragenen Sinne »jemanden beschatten«, wörtlich übersetzt jedoch »ihn umwehen, in ein Netz einspinnen«. Die Künstlerin beauftragte ihre Mutter, einen Privatdetektiv auf sie anzusetzen, der sie einen Tag lang auf ihren Wegen durch Paris beschatten sollte. Sie versprach sich davon ein neues Bild ihres Selbst, aufgenommen aus der Perspektive eines völlig Fremden. Sie gibt an, nicht gewusst zu haben, an welchem Tag sie observiert werden würde, doch am 16. April 1981 bemerkte sie schnell, dass jemand sie verfolgte. Sophie Calle nutzte diese Entdeckung und veränderte ihr Spiel: Sie instrumentalisierte nun unbemerkt den fremden Detektiv, führte ihn zu all ihren Lieblingsplätzen und ließ diese in die Dokumentation aufnehmen. So verwob sie gewissermaßen das Portrait, das ein Außenstehender von ihr zeichnete, mit der Idee eines Selbstportraits und einer Studie »ihres« Paris. Auf der Texttafel kann man ihre persönlichen Aufzeichnungen lesen, denn auch sie hielt den Tag protokollarisch fest, auf der Bildtafel findet man die schriftlichen und photographischen Dokumente des Fremden. So bildet La Filature eine wichtige Schnittstelle innerhalb ihres Werks, in dem das Spiel mit Dokumentation und Fiktion, mit Selbstentwurf und Selbstinszenierung eine Konstante bildet. Zwar ist Sophie Galle immer sehr präsent in all ihren Dokumentationen, doch bekommt der Betrachter dieser Arbeit durch den Blick von außen, den sie nur bedingt kontrollieren kann, eine Einsicht, die eindringlicher nicht sein könnte.
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Für dieses Projekt beauftragte die Künstlerin ihre Mutter, einen Privatdetektiv auf sie anzusetzen, der sie einen Tag lang auf ihren Wegen durch Paris beschatten sollte. Das Werk setzt sich aus den Tagebuchnotizen Calles und den Fotografien des Detektivs zusammen.