Christian Boltanski

Réserve: Les Suisses morts, 1990

Reserve: Die toten Schweizer

Die fast zwei Meter hohe Installation aus übereinandergestapelten Blechkisten bildet einen engen Gang. Dieser ist am Ende verschlossen und wird von oben spärlich durch schwarze Bürolampen beleuchtet. Im Innenraum klebt auf jeder Kiste ein schwarz-weißes Porträtfoto mit schwarzem Rand. Die Aufnahmen stammen von Passfotos, zurechtgeschnittenen Schnappschüssen oder Todesanzeigen aus schweizerischen Tageszeitungen. Jeglicher Hinweis auf die Identität der Verstorbenen oder den möglichen Inhalt der Kisten fehlt. Bei näherem Betrachten fällt auf, dass einige der Fotos mehrfach verwendet sind. Boltanski entlarvt die Vorstellung von Individualität als Fiktion und zeigt, wie gesellschaftlich gestiftete Identität in der Anonymität des Todes verloren geht. Die dicht gedrängte Lagerung der Kisten erinnert an die Bürokratie des 20. Jahrhunderts. Das begehbare Memento mori ruft so Erinnerungen an die staatlich organisierten Massenmorde des vergangenen Jahrhunderts wach, die das Konzept der Würde des Einzelnen zutiefst erschüttert haben.

Daniel Koep

Details zu diesem Werk

1168 Blechdosen, 35 Stahlschirmlampen mit Kunststoffklemmen, 1136 Schwarz/Weiß-Fotografien, Kabel (Aufbau Variante B) Erworben 1991. Dauerleihgabe der Stiftung Hamburger Kunstsammlungen Inv. Nr.: G-1991-4 Sammlung: Galerie der Gegenwart © SHK / Hamburger Kunsthalle / bpk © VG Bild-Kunst, Bonn Photo: Elke Walford

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