Ludwig Johann Passini

Künstlergesellschaft im Antico Caffé Greco in Rom, 1856

Im Jahr 1760 wird erstmals das von dem Levantiner Nicola di Maddalena geführte Antico Caffè Greco genannte Kaffeehaus in der Strada Condotta (heute Via Condotti 86) in Rom urkundlich erwähnt, das aber wohl schon mindestens seit 1742 existierte, da es in diesem Jahr von Giacomo Casanova nachweislich besucht wurde. Begünstigt durch die Nähe zu verschiedenen diplomatischen Vertretungen Frankreichs und Spaniens trafen sich dort von Beginn an vor allem Künstler und Literaten, wobei es in den folgenden Jahrzehnten bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts besonders deutschsprachige Künstler waren, die sich dort zum geselligen Beisammensein einfanden und die sich dorthin auch ihre Post aus der Heimat schicken ließen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Deutschen dann aber vor allem von italienischen Künstler abgelöst. Recht bald kam in den zunächst sehr spartanisch eingerichteten Raum, der erst später nach hinten erweitert wurde, auch eine Sammlung von Kunstwerken zusammen, die von den dort verkehrenden Künstlern dem Wirt geschenkt wurden oder mit denen ihnen erlaubt wurde offene Rechnungen zu begleichen. (Anm. 1)
Ein früher, prominenter Besucher des Cafès soll 1786/87 Johann Wolfgang von Goethe gewesen sein, der nicht weit entfernt in der Via del Corso wohnte, von dem Cafè allerdings nichts in seiner „Italienischen Reise“ berichtet. Neben dem Dänen Hans Christian Andersen (1806-1875), der eine zeitlang im Haus des Cafès wohnte, setzte schon der Schriftsteller E. T. A. Hoffmann (dem Cafè Greco im siebten Kapitel seines nach acht Kupferstichen von Jacques Callot verfassten literarischen Capriccios „Prinzessin Brambilla“ 1820 ein literarisches Denkmal.
Kurz zuvor, um 1817/18, hatte der Heidelberger Künstler Carl Philipp Fohr (1794-1818) begonnen ein erstes Gruppenbildnis aktuell in Rom lebender deutscher Künstler im Caffè Greco in einem Bild festzuhalten. Leider kam dieses Projekt aufgrund Fohrs frühen Todes über Bleistiftstudien zur Komposition und viele gezeichneten Bildnisstudien von Künstlern wie Samuel Asmsler, Peter Cornelius, Johann Carl Eggers, dem hamburger Johann Joachim Faber, Franz Horny, Joseph Anton Koch oder den Dänen Johann Ludwig Lund nicht heraus. (Anm. 2) Die Zahl der Berichte in Briefen, Tagebüchern und literatirschen Texten deutscher und internationaler Künstler über das Caffè Greco ist unerschöpflich und alle rühmen diesen Ort der Zusammenkunft als wichtigen Rückzugsort ihres Lebens in der Fremde und Umschlagsort von Informationen aus der Heimat sowie aus ganz Europa.
Ein bedeutendes Künstlergruppenbildnis gelang erst viele Jahre später mit dem großformatigen, ikonischen Hamburger Aquarell des österreichischen Künstlers Johann Ludwig Passini, der zwischen 1853 und 1870 in Rom lebte. Selbstverständlich waren seit Fohrs Tagen nun ganz andere in Rom lebende bildende Künstler an einem Tag des Jahres 1856 kurz vor halb zwei – dies zeigt die Uhr an der Wand an – im vorderen Schankraum des Cafès versammelt.
Der bekannteste der hier porträtierten und zum gemütlichen Kaffeplausch versammelten Künstler ist zweifellos der Berliner Maler Franz Ludwig Catel (1778-1856) (Anm. 3), der mit seinem typischen Zylinder rechts vorn in seinem letzten Lebensjahr als Doyen der deutschen Künstlerschaft etwas abseits vom Tisch sitzt und seine Arme auf einen Regenschirm vor sich stützt. Catel lebte als einziger schon zu Zeiten Carl Philipp Fohrs in Rom, war aber auf dessen Komposition nicht vorgesehen, da er 1817/18 gerade außerhalb der Stadt in Neapel weilte.
Weitere identifizierbare Personen sind im Raum stehend oder sitzend zu sehen. Stehend am Tresen der Maler Rudolf Lehmann (1819-1905), der 1851-1859 in Rom arbeitete. Am Tisch versammelt sind links ein griechischer Freund des Kreises names Eugen Bosino ?-1871), dann Julius Muhr (1819-1865), 1852-1857 in Rom, Wilhelm Wider (1818-1884) mit seinem hellen Zylinder, 1850-1873 in Rom, der aus dem dänischen Altona bei Hamburg stammende Ernst Meyer (1797-1861) (Anm. 4), seit 1824 in der Stadt ansässig, August Riedel (1802-1883), seit 1828 in Rom und der mit Catel befreundete Leopold Pollak (1806-1880), dort ansässig seit 1832. Im Hintergrund im Durchgang zum „Omnibus“ genannten hinteren Schankraum der Lokalität stehen Otto Wichmann (1828-1858), seit 1852 in Rom, und der Bildhauer Ludwig Sussmann (1828-1908), der gerade Italien und Frankreich bereiste.
Das vielfach in der Literatur abgebildete und in Ausstellungen präsentierte Aquarell Passinis (Anm. 5), das sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Besitz des Kunsthistorikers und – händlers Bernt Grönvold (1859-1923) in Berlin befand, wurde nach seinem Ankauf 1930 von der Witwe Grönvolds durch die Hamburger Kunsthalle zum Sinnbild für die Gastlichkeit des Caffè Greco und die in Rom lebende deutsche Künstlerschaft schlechthin und schmückt daher auch den Umschlag der erwähnten Monograüphie zur Geschichte und der Kunstsammlung des Antico Caffè Greco (vgl. Anm. 1).

Andreas Stolzenburg

1 Zur Geschichte und zur Kunstsammlung des Cafè Greco siehe Tamara Felicitas Hufschmidt, Livio Jannatoni: Antico Caffè Greco: storia, ambiente, collezioni, Rom [1993]. Das Caffè Greco wurde 1953 vom italienischen Staat als „Monument von historischem und nationalem Interesse“ anerkannt. Die 2009 verstorbene Tamara Felicitas Hufschmidt war die beste Kennerin der Kunstsammlung des Antico Caffè Greco; Andreas Tönnesmann: Römische Fontänen. Zum Tod von Tamara Hufschmidt, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, Nr. 268 v. 18. 11. 2009, S. 32..
2 Peter Märker unter Mitwirkung von Hinrich Sieveking und Sabine Gottswinter: Carl Philipp Fohr 1795-1818. Monographie und Werkverzeichnis, München 2015, S. 566-607, Nr. Z 785-Z 834.
3 Zu Catel siehe Andreas Stolzenburg: Der Landschafts- und Genremaler Franz Ludwig Catel (1778-1856), Ausst.-Kat. Rom, Casa di Goethe, Rom 2007 (auch italienische Ausgabe); Franz Ludwig Catel. Italienbilder der Romantik, hrsg. v. Hubertus Gaßner und Andreas Stolzenburg, Ausst.-Kat. Hamburger Kunsthalle, Petersberg 2015. Zu weiteren Bildnissen Catels vgl. Andreas Stolzenburg: „Was Catel betrifft, so ist er der eigentlich für die hier anwesenden (bürgerlichen) Deutschen der Gesandte […]“. Franz Ludwig Catel im Bildnis, in: Ausst.-Kat. Hamburg 2015, S. 98-105.
4 Ernst Meyer zeichnete auch ein Altersbildnis Catels, das sich in Meyers künstlerischem Nachlass im Statens Museum for Kunst in Kopenhagen befindet: Stolzenburg 2015 (Anm. 3), S. 102, Abb. 14.
5 Vgl. dazu die lange Werkbibliographie. Zu einem weiteren Werk Passinis in der Hamburger Sammlung siehe Inv.-Nr. 74443.

Details zu diesem Werk

Aquarell auf Papier 490mm x 625mm (Blatt) 82cm x 95cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle,Kupferstichkabinett. Erworben 1930 von Hermine Grönvold (1862-1931), Berlin, mit Mitteln aus den Vermächtnissen Beer Carl Heine (1810-1865) und Eduard Ludwig Behrens (1824-1895) Inv. Nr.: 74472 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1850-1900 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford

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