Max Liebermann, Zeichner

Das Godeffroy'sche Landhaus im Hirschpark von Nienstedten, 1902

Zu den malerischen Pastellen, die Max Liebermann 1902 für die „Sammlung der Bilder aus Hamburg“ schuf, gehört auch die Ansicht des Landhaus Godeffroy in Nienstedten. Liebermann hatte das von dem dänischen Architekten Christian Frederik Hansen (1756-1845) für Johan Caesar Godeffroy zwischen 1789 und 1792 errichtete Anwesen bereits 1890 auf seinen Spaziergängen durch die Hamburger Parkanlagen kennen gelernt, als Alfred Lichtwark ihm auf der Suche nach geeigneten Motiven die Sehenswürdigkeiten der Stadt zeigte. In einer ersten Kreidezeichnung (Inv. Nr. 39958) hatte Liebermann die spätere Komposition mit dem breitangelegten Anfahrtsweg, dem Gebäude und den rahmenden Bäumen festgelegt. Dabei weisen die Abstufungen der Schattierungen schon auf die späteren Farbwerte hin. Im Pastell rückt der repräsentative Portikus des Landhauses mit der Freitreppe in den Mittelpunkt. Die dreifach gegliederte Fassade mit Säulen und Fenstern tritt hinter dem tief herabhängenden Ast der Rotbuche zurück, während sich im Vordergrund auf dem Sandweg das sommerliche Licht in hellen Farben bricht. Liebermann war von der Eleganz des klassizistischen Landhauses so beeindruckt, dass er die Mittelfront als Vorbild für seine am Wannsee errichtete Villa nahm.

Seit den späten achtziger Jahren hatte Liebermann sich der Technik des Pastells zugewandt. Gleichzeitig entwickelte sich seine Malerei von den naturalistisch orientierten „Arbeitsbildern“ zu einer impressionistischen Freilichtmalerei. Die ursprünglich als spontane, skizzenhafte Momentaufnahmen entstandenen Pastellstudien werden zu eigenständigen Werken, die wie unser Blatt einen fast abstrakten Duktus erreichen.

Besondere Bedeutung hatte in dieser Zeit für Liebermann die Kunst Edouard Manets, dessen malerische Sensibilität er bewunderte. Manet hatte bereits 1882 mit seinem Gemälde „Landhaus in Rueil“ (Staatliche Museen zu Berlin, Alte Nationalgalerie) ein ganz ähnliches Motiv wie Liebermann gewählt. In der Komposition, vor allem jedoch in der nuancenreichen, lichtdurchfluteten Atmosphäre könnte das Gemälde als Vorbild gedient haben, zumal es sich vor 1900 bereits in einer Berliner Privatsammlung befand.

Die Hamburger Bilder gehören zu den schönsten Beispielen von Liebermanns Pastellkunst. "Diese Blätter haben den kostbarsten Reiz Whistlerscher Bilder, doch ohne, wie diese, irgendwie parfümiert zu wirken. Das Material hat den Zeichner zu einem zartkräftigen Kolorismus angehalten und die Ungeduld gezügelt, es hat Zeichnung und Malerei auf glücklichste vermählt" (K. Scheffler: Max Liebermann, Frankfurt am Main 1953, S.101).

P. R.

Details zu diesem Werk

Pastell auf Pappe 310mm x 420mm (Blatt) 38.5cm x 49.5cm (Rahmen) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 74447 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1850-1900 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Elke Walford, CC-BY-NC-SA 4.0

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback
Weitere Werke von
Max Liebermann