Alphonse Alexandre Leroy, Radierer
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Zeichner

Studie für eine Grablegung Christi, 1853

Aus: "Gravure Facsimile d' après différents Dessins faisant Partie de la Collection du Musée Impérial du Louvre [...]", Paris 1848ff

Im Jahr 1850 fand in Den Haag die für die Geschichte der Raffael-Zeichnungen bedeutsame Auktion der Kunstwerke Wilhelms II. von Holland statt. (Anm. 1) Dieser hatte bereits als Kronprinz eine bedeutende Sammlung angelegt, die nach seinen plötzlichen Tod verauktioniert wurde. Damals erwarb das Frankfurter Städel-Museum den Kern seines hervorragenden Raffael-Bestandes, aber auch andere Museen konnten ihre Sammlungen stärken. So ersteigerte der Louvre eine Studie für eine Grablegung Christi, die gemeinhin als Pala Baglioni bekannt ist (Inv.-Nr. 16484a). (Anm. 2) Unmittelbar nach dem Ankauf dieses Meisterwerks wurde seine Vervielfältigung beschlossen. Den Auftrag erteilten Charles Blanc, der damalige Direktor der Abteilung für Schöne Künste im Pariser Innenministerium, sowie Frédéric Villot und Frédéric Reiset, zwei Konservatoren des Louvre. Das Faksimile der Grablegung Christi war ebenso wie die Reproduktion nach Raffaels Psyche-Studie (Inv.-Nr. 72784) Teil eines umfangreichen Programms, dessen Ziel die qualitätvolle Publikation herausragender Zeichnungen des Louvre war. Für diese ambitionierte Aufgabe wurde Alphonse Leroy ausgewählt, der sich bereits einen guten Ruf als exzellenter Reproduktionsstecher erworben hatte. Die Arbeit an dem Faksimile-Druck war langwierig, so dass Leroy nach der Fertigstellung 1853 sogar noch einen Zuschuss erhielt. Das Warten hatte sich gelohnt, denn Leroy gelang eine sehr differenzierte, auch hinsichtlich der Genauigkeit höchsten Ansprüchen genügende Umsetzung der Zeichnung ins Medium der Druckgraphik. Leroy hatte in Paris bei dem Maler und Radierer Charles Cousin gelernt. Dank der Unterstützung seines Freundes Alfred Émilien O’Hara, Graf von Nieuwekerke, der zur Regierungszeit von Napoleon III. Superintendent der Schönen Künste war, erhielt Leroy zwischen 1849 und 1880 zahlreiche Aufträge für Faksimilearbeiten nach Zeichnungen des Louvre, u. a. aufwendig veröffentlicht in der 32-teiligen Mappe Collection de dessins originaux. (Anm. 3) Leroys starke Affinität zu Raffael zeigte sich 1858, als er eine Auswahl der in Lille bewahrten Zeichnungs-Sammlung Jean-Baptiste Wicars als Faksimiles veröffentlichte.
Leroys und Butavands Faksimile-Drucke (Inv.-Nr. 72784) verdeutlichen unverkennbar das um 1850 herrschende, immens hohe Niveau der französischen Reproduktionsgraphik. Es war der letztlich verzweifelte Versuch, die aufkommende Fotografie in ihre Schranken zu weisen. Zwar konnte diese um 1850 hinsichtlich der Qualität der Wiedergabe noch nicht mit den Faksimiles der Reproduktionsgraphiker mithalten. Doch es war nur eine Frage der Zeit, bis sich diese fortschrittliche technische Entwicklung durchsetzen würde. (Anm. 4)
David Klemm

LIT (Auswahl): Weigel 1865, S. 564, Nr. 6690; Lothe 2007, S. 30

1 Zur Auktion vgl. Sonnabend 2017, S. 68–71.
2 Zur Zeichnung vgl. Cordellier/Py 1992, S. 69–73, Nr. 57; Ausst.-Kat. Wien 2017, S. 109–115, mit Abb. und weiterer Lit.
3 Diese Edition erschien zwischen 1857 und 1860; vgl. Schwaighofer 2009, S. 212–213, Nr. 74.
4 Ebd., S. 213.

Details zu diesem Werk

Punktierradierung 330mm x 396mm (Bild) 403mm x 450mm (Platte) 437mm x 595mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 72780 Sammlung: KK Druckgraphik, Frankreich, 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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