Ludwig Gruner, Zeichner, Lithograph
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Entwerfer
Raffael (Werkstatt), Maler, Entwerfer
Winckelmann u. Söhne, Leitung J. Storch, Berlin, Drucker

"GALLERIE DER LOGEN, IIᵀᴱᴿ STOCK." / Galerie der Loggien. 2. Stock, vor 1852

Um 1509 begann Donato Bramante mit dem Bau von dreistöckigen Arkaden an drei Seiten des zum Vatikanischen Palast gehörenden Cortile di San Damaso (Damasus-Hof). Nach dem Tod seines Förderers vollendete Raffael 1514 die Anlage. Kurz darauf beauftragte Papst Leo X. den Künstler, den 65 Meter langen und vier Meter breiten Loggiengang im zweiten Stockwerk der Westseite auszugestalten. Nach Raffaels Konzeption entstand dort zwischen 1517 und 1519 eine umfangreiche Ausstattung mit Deckenmalereien und Stuckarbeiten. Für deren Umsetzung waren vornehmlich seine Mitarbeiter und dabei vor allem Giulio Romano, Giovanni da Udine sowie Giovan Francesco Penni verantwortlich. Wie kaum ein anderes Werk Raffaels erlangten die Loggien immense Bekanntheit und eine weitreichende Wirkung.

Raffael und sein Team waren nicht nur für 52 Deckenbilder zuständig, sondern auch für Grisaillefresken an den Sockeln sowie umfangreiche Bemalungen und Stukkaturen der Pilaster und Wandfelder. Die Loggien zeigen in zwölf Deckenkompartimenten jeweils vier Szenen aus dem Alten Testament, nur im letzten Joch sind Ereignisse aus dem Neuen Testament dargestellt. Hinzu kamen noch christliche Themen in der Sockelzone. Es handelt sich um den größten Zyklus mit alttestamentarischen Szenen bis dahin, weshalb die Folge auch als Bibel Raffaels bezeichnet wurde. Aufgrund der relativ großen Deckenhöhe entwarf Raffael stark vereinfachte Kompositionen, die gleichwohl große Ausdruckskraft und geradezu poetische Facetten aufweisen.

Demgegenüber stehen die reichen Stuckarbeiten und Grisaillemalereien, die vornehmlich antike Figuren und Szenen zeigen. (Anm. 1) Hier ist ein reicher Schatz von zum Teil ungewöhnlichen und fantasievollen Motiven versammelt. Das Spektrum reicht von Darstellungen antiker Götter bis hin zu Elefanten und Meerungeheuern. Schier unerschöpflich sind die Arabesken und Grotesken auf nahezu jede freie Stelle verteilt. Angeregt wurde die Gestaltung durch antike Dekorationen, die man in Gewölben unter den Ruinen der Titus-Thermen entdeckt hatte. Erst später erkannte man deren Zugehörigkeit zum Domus Aurea, dem Goldenen Haus des Nero. Giovanni da Udine und sein Team waren die ersten Künstler seit der Antike, die derartige Ausstattungselemente verwendeten.

Dieses Gesamtkunstwerk faszinierte seit jeher die Betrachter aufgrund der direkten Gegenüberstellung von heidnischen und christlichen Bildelementen. Ihre Wirkung auf Künstler und den allgemeinen Kunstgeschmack ist kaum zu überschätzen. Vor allem im späten 18. Jahrhundert prägten die Loggien den Dekorationsstil einer ganzen Epoche nachdrücklich. (Anm. 2)

Entscheidend zum Ruhm und zur Wirkung der Loggien trug eine immense Anzahl von Reproduktionsgraphiken bei. (Anm. 3) Dabei ist es von Interesse zu sehen, dass zunächst nur Einzelmotive gefragt waren (Inv.-Nr. 163). 1607 lag dann die erste komplette Wiedergabe der Deckenszenen der Loggien vor (Inv.-Nr. kb-1863-85-137-33). Das Gesamtkunstwerk aus Wand- und Deckengestaltung war sogar erst seit den 1770er Jahren in graphischer Form zugänglich (Inv.-Nr. 2020-16, 58218, 58238).

Die vorliegende Abbildung gibt einen Eindruck von der komplexen Gestaltung des Loggiengangs. Sie wurde erstmals 1844 von Ludwig Gruner in seiner Sammlung von Fresco decorations and stuccoes of churches & palaces in Italy during the fifteenth and sixteenth centuries publiziert. Hier handelt es sich um einen Nachdruck für den Kunstverein in Hamburg, der diese und zwei weitere Loggienansichten 1851 als Jahresgaben an seine Mitglieder verteilte. (Anm. 4) Die Wiedergabe beeindruckt nicht nur durch exakte Detailaufnahme und harmonische Gesamtwirkung. Sie ist vor allem wegen ihrer frühen und schon qualitätvollen Verwendung der erst kurz zuvor erfundenen Farblithographie bemerkenswert.
David Klemm

1 Grundlegend Dacos 1977 und Dacos 1986.
2 Aust.-Kat. Hamburg 1995a, S. 18.
3 Höper 2001, S. 425–480.
4 Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett, Inv.-Nr. 70523 bis 70524.

Details zu diesem Werk

Farblithographie 373mm x 264mm (Bild) 663mm x 525mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 70525 Sammlung: KK Druckgraphik, Deutschland, 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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