Rembrandt Harmensz. van Rijn

Der barmherzige Samariter (Lukas 10, 34-35), 1633

Rembrandt gestaltet hier das Gleichnis von der Nächstenliebe, in dem Christus beschreibt, wie hochangesehene Männer (unter ihnen ein Priester) an einem von Räubern schwer verletzten Mann auf ihrem Weg vorübergehen. Ein einfacher Samariter, der in der Gesellschaft wenig Ansehen hatte, war es, der dem Verletzten die Wunden verband und ihn in eine Herberge brachte. Christus zeigt, dass es nicht auf die Stellung in der Gesellschaft, sondern auf die Taten der Nächstenliebe ankommt.
Der Künstler hat sich für diese Radierung den zweiten Teil der Geschichte ausgesucht, der vor dem Gasthaus stattfindet. Der Samariter hat den Verletzten auf seinem Pferd hierher gebracht, und er steht nun am Eingang der Herberge und bespricht mit dem Wirt, dass er den Kranken aufnehmen und pflegen soll. Dafür hat er ihm Geld gegeben, das der alte Wirt gerade einsteckt. Vor dem Haus, das einmal prächtig war, aber inzwischen schon verfallen ist, findet ländliches Leben statt. Vorn hat sich sogar ein Hund hingehockt, um sein Geschäft zu verrichten. Hinten wird Wasser aus einem Ziehbrunnen geschöpft. Ein Knecht hält das Pferd am Zügel, während ein anderer den Verletzten herunterhebt. Mit dem Bild hat sich auch Goethe beschäftigt, und ihm ist aufgefallen, dass der Verletzte aufgeregt und ängstlich aufblickt. Er schaut zu dem Mann mit dem Federhut, der im Fenster lehnt, und kühl auf das Geschehen blickt. Goethe kam der Gedanke, in diesem Mann den Räuberhauptmann der Bande zu sehen, die den Verletzten ausgeraubt und misshandelt hat. Darüber regt dieser sich auf und fürchtet, in eine Falle geraten zu sein und erneut seinen Peinigern in die Hände zu fallen. Könnte es sein, dass Rembrandt der Geschichte eine solche Wendung geben wollte?

Thomas Gädeke

Details zu diesem Werk

Beschriftung fremd: Unten rechts nummeriert: "72" (Feder in Braun); auf dem Verso oben links nummeriert: "N 473" (Bleistift); in der Mitte bezeichnet und nummeriert: "B. 90 - I" (Bleistift); unten links bezeichnet: "g" (Bleistift); rechts nummeriert: "77" (Bleistift)

Bartsch 1797.93.90; Hollstein XVIII.50.B 90 I (von IV); New Hollstein Rembrandt I.183.116 I (von IV),

Georg Ernst Harzen (1790-1863), Hamburg (L. 1244); NH Ad:02:01, S. 149; Legat Harzen 1863 an die „Städtische Gallerie“ Hamburg; 1868 der Stadt übereignet für die 1869 eröffnete Kunsthalle

Rembrandt entdecken. Die 100 schönsten Radierungen aus dem Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle, Herausgeber: Herwig Guratzsch; Stiftung Schleswig Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf, Dortmund, Museum für Kunst und Kulturgeschichte, 2006, S. 64-65, Abb., Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 15

The New Hollstein. Dutch & Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts 1450 - 1700, Rembrandt, Text I, Erik Hinterding; Jaco Rutgers; Herausgeber: Erik Hinterding; Jaco Rutgers, 2013, S. 183, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 116 I

Die Geburt des Kunstmarktes: Rembrandt, Ruisdael, van Goyen und die Künstler des Goldenen Zeitalters, F.W. Kaiser, F. Lammertse, M. North, G. Seelig, J, van der Veen,; Herausgeber: Bucerius Kunst Forum; Hamburg, 2017, 2017, Abb. S. S. 148, Abb.-Nr. , Kat.-Nr. 101

Radierung, Kupferstich und Kaltnadel 252mm x 212mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 6209 Sammlung: KK Druckgraphik, Niederlande, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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