Rembrandt Harmensz. van Rijn, Radierer
Hendrik Uylenburgh, Verleger

Kreuzabnahme, zweite Platte (Matthäus 27, 57-59; Markus 15, 43-46; Lukas 24, 50-53 und Johannes 19, 38-42), 1633

Die Bibel schildert nicht im Einzelnen, wie es war, als der Körper des toten Christus vom Kreuz abgenommen wurde. Aber alle vier Evangelisten berichten, dass ein reicher Mann mit Namen Joseph von Arimathia die Erlaubnis erhielt, den Leichnam Jesu vom Kreuz abzunehmen. Dann wird noch erzählt, dass er ihn in ein (damals sehr kostbares) weißes Leinentuch einschlagen ließ und in sein eigenes neues Grab legte.
Rembrandt hat ihn, kostbar und fast fürstlich gekleidet, breitbeinig vor das Kreuz gestellt, wo er den fünf Helfern, die sich um den Körper Christi mühen, Anweisungen gibt. Drei von ihnen sind auf zwei Leitern gestiegen, um Christus an beiden Armen zu halten, nachdem der zuoberst auf der Leiter links stehende die Nägel herausgezogen hatte, mit denen die Hände am Querbalken des Kreuzes befestigt waren. Die beiden Helfer am Boden haben die Nägel aus den Füßen herausgezogen. Um den gelösten Körper nicht ins Rutschen und Fallen zu bringen und um beim Herablassen vom Kreuz nicht seinen Rücken aufzuscheuern, hat man als erstes das erwähnte kostbare Leinentuch hinter den Körper gezogen, solange er noch am Kreuz hing. Rembrandt zeigt dem Moment, in dem der oberste Helfer sich über das Kreuz beugt und das Tuch herunterlässt, soweit er kann. Der Helfer rechts auf der Leiter hält noch mit aller Kraft den Unterarm und Ellenbogen Christi, während der Helfer auf der Leiter gegenüber den Leichnam nur noch kurz an dem anderen Oberarm festhalten wird, da er ihn gerade in die Arme des Mannes gibt, der unter dem Kreuz steht. Dieser schaut sehr angespannt nach oben, um die kostbare Last auch ganz sorgfältig entgegenzunehmen und umgreift den Unterkörper Christi. Knapp hinter ihm sieht man den Kopf eines anderen Helfers, der gleich den Oberkörper entgegennehmen wird. Gemeinsam werden sie ihn auf das wollene, teppichartige Tuch legen, das die am Fuß der Leiter hockende Frau ausgebreitet hat.
Der im Herabgleiten vom Kreuz zusammengesunkene Körper Christi erscheint bei Rembrandt klein und eher leicht. Daher muss der Mann, der ihn am Boden entgegennimmt, auch kein besonders muskulöser Riese sein. Will Rembrandt damit vielleicht sagen, dass das Große an Christus nicht sein Körper, sondern sein Geist und die von ihm ausgehende Liebe waren?

Thomas Gädeke

Details zu diesem Werk

Radierung und Kupferstich 521mm x 406mm (Bild) 530mm x 410mm (Platte) 531mm x 412mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 6198 Sammlung: KK Druckgraphik, Niederlande, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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