Rembrandt Harmensz. van Rijn

Flucht nach Ägypten während der Nacht, 1651

Auf diesem kleinen Blatt – es ist kaum so groß wie eine Postkarte – sind ein Mann und eine Frau zu sehen, die in tiefer Nacht auf Reisen sind. Mühsam bahnt sich der Mann den Weg durch die tiefe Dunkelheit, von der die gesamte Umgebung verschluckt zu sein scheint. Er führt einen Esel, der seine Frau und etwas Reisegepäck trägt. Der Himmel ist bewölkt, kein Stern noch der Mond beleuchtet die nächtliche Szene. Wer die Geschichte von Jesu Geburt und Kindheit kennt, weiß, wer die Dargestellten sind: Maria und Joseph auf ihrer Flucht nach Ägypten. Kurz nach Jesu Geburt war Joseph im Traum ein Engel erschienen, der ihm auftrug, mit Maria und dem Jesuskind zu fliehen. Denn der König Herodes fürchtete das neugeborene Kind als Rivalen, da es hieß, es werde der neue König Israels sein. Als Herodes merkte, dass sein Plan zur Verfolgung Jesu gescheitert war, ließ er alle kleinen Kinder, die jünger als zwei Jahre waren, in der Umgebung Bethlehems töten. Jesus aber entkam diesem furchtbaren Wüten, da seine Eltern rechtzeitig mit ihm nach Ägypten flohen. Die Gefährlichkeit der Lage erklärt auch, warum die Heilige Familie im Schutze der Nacht unterwegs ist. Doch wo befindet sich das Jesuskind? Erst wenn man genau hinschaut, kann man sehen, dass Maria das Kind unter ihrem Gewand versteckt hat, wo es zugleich warm liegt und geschützt ist. Der Lichtschein an dieser Stelle verrät es dem Betrachter, denn die kleine Laterne in Josephs Hand spendet kaum genug Licht, um seine Gestalt und den Weg spärlich zu erhellen. Das Licht aber, das uns Maria mit dem Kind zeigt, hat eine andere, überirdische Quelle – es ist das göttliche Licht, das mit Jesus in die Welt kam.
Uta Kuhl
Einen früheren Zustand zeigt Inv.-Nr. 39789.

Details zu diesem Werk

Radierung und Kaltnadel 127mm x 110mm (Platte) 129mm x 111mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 6163 Sammlung: KK Druckgraphik, Niederlande, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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