Rembrandt Harmensz. van Rijn

Abrahams Opfer (Gen. 22, 9-12), 1655

Mit dieser Szene zeigt uns Rembrandt eine der bewegendsten Geschichten aus dem Alten Testament. Abrahams Ehe mit seiner Frau Sara blieb lange kinderlos. Erst als er schon sehr alt war, besuchte ihn Gott und versprach, dass Sara einen Sohn bekommen würde, der Isaak heißen sollte (vgl. Inv.-Nr. 6137, 6141, 6136). Als Isaak größer geworden war, stellte Gott Abraham auf eine fürchterliche Probe, denn er sagte zu ihm: „Nimm Isaak, deinen einzigen Sohn, den du lieb hast ... und opfere ihn daselbst zum Brandopfer auf einem Berge, den ich dir sagen werde“. Und Abraham gehorchte Gott und zog mit Isaak los, um ihn zu opfern. Als sie bei dem Ort angekommen waren, wo das Opfer dargebracht werden sollte, frage Isaak seinen Vater, wo das Opfer sei; und der Vater antwortete ihm: „Mein Sohn, Gott wird sich ein Schaf zum Brandopfer schon ersehen.“ Dann bereitete er alles für das Opfer vor. In dem Moment jedoch, wo er das Messer in die Hand nahm, um seinen Sohn zu schlachten, schickte Gott einen Engel, um den Tod Isaaks zu verhindern. Rembrandt zeigt uns diese Situation so unmittelbar, dass wir die enorme Spannung nachvollziehen können. Abraham hat sich hingekniet. Eine Opferschale für das Blut seines Sohnes und Feuerholz stehen bereit. Besonders erschütternd ist an Rembrandts Darstellung, dass sich Isaak nicht wehrt, er kniet ebenfalls und beugt sich bereitwillig über das Bein seines Vaters, der schon das Messer gezückt hat. Mit der anderen Hand bedeckt Abraham die Augen seines Sohnes. Zum Glück naht von hinten der Engel und hält Abraham im letzten Moment zurück. Die Flügel sind noch ausgebreitet, aber die Engelshände können rechtzeitig den tödlichen Schnitt verhindern. Wir können die große Angst Isaaks ahnen, denn sein Mund ist leicht geöffnet. Wahrscheinlich atmet er schwer, vielleicht zittert er. Das Gesicht Abrahams zeigt deutlich den ungeheuren Schmerz, den ihm dieses Opfer abverlangt. Kaum kann er begreifen, was der Engel ihm mitteilen will, der so plötzlich dazwischen fährt. Die ganze Gruppe erscheint in diesem Moment wie erstarrt. Die große Dramatik des Geschehens wird also weniger durch die Bewegung der handelnden Personen verdeutlicht, sie findet mehr in den Herzen und Gedanken der Beteiligten statt. Und der Himmel lässt einen Widerschein davon in den dunklen Wolken verspüren.

Uta Kuhl
Für eine seitenverkehrte Kopie eines anonymen Stechers vgl. Inv.-Nr. 6142a.

Details zu diesem Werk

Radierung und Kaltnadel 156mm x 131mm (Platte) 173mm x 147mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 6142 Sammlung: KK Druckgraphik, Niederlande, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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