Rembrandt Harmensz. van Rijn, Radierer
und Lieven Willemsz. van Coppenol, Kalligraph

Bildnis Lieven Willemsz. van Coppenol, um 1658

Mit dieser ungewöhnlich großformatigen Radierung stellt uns Rembrandt einen Mann vor, für den die Tätigkeit des Schreibens offensichtlich ungewöhnliche Bedeutung hat. Er hält ein großes, leeres Blatt Papier sowie eine Feder in den Händen. Leuchtend weiß strahlt das Papier vor dem dunklen Hintergrund, so dass es sofort ins Auge fällt. Der dunkle Vorhang hinter dem Dargestellten, der vor der ebenfalls dunklen Wand fast nur zu ahnen ist, weist im Übrigen auf die Vornehmheit des Mannes hin. Da der Name des Dargestellten in dem Gedicht unter dem Bild steht, wissen wir, um wen es sich handelt: Lieven Willemsz. van Coppenol, dessen Familie wegen ihres Glaubens – sie waren Mennoniten – nach Holland geflohen war. Lieven Willemsz. war Eigentümer einer französischen Schule in Amsterdam gewesen, bevor er 1650, im Alter von 52 Jahren, wegen einer Geisteskrankheit nicht mehr unterrichten konnte. Seit dieser Zeit beschäftigte er sich mit der Schönschrift, der Kalligraphie. An bekannte Dichter schickte er Proben seiner Schreibkunst und bat sie um Gedichte, die er dann in Schönschrift niederschreiben konnte. Und so finden wir auch unter diesem Bildnis ein Gedicht, das der Dichter Simon Ingels verfasst hat. Lieven Willemsz. hat es, zur Wiedergabe auf der Radierung, kalligraphisch gestaltet. Es lautet auf Deutsch: „Auf das Bildnis von Herrn Lieven van Coppenol, Phoenix der Kalligraphen seiner Zeit. Dies ist Coppenol, der wunderbare Kalligraph. Von Rembrandts Hand, dessen alte Faust und dessen Eifer Alle Rivalen so weit überholt wie das schnellste Boot das langsamste auf dem segelreichen IJ.“
Wir können feststellen, dass der Dichter Rembrandt wegen dessen Bildniskunst mindestens ebenso lobt wie den Dargestellten. Wenn wir uns anschauen, aus wie vielen feinen und dichten, immer wieder übereinander gezeichneten Linien das Porträt sorgfältig aufgebaut ist, lässt sich dieses Lob gut nachvollziehen. Und Simon Ingels spricht von „Rivalen“, weil van Coppenol sich von mehreren berühmten Künstlern, u. a. von Cornelis Vischer (vgl. Inv.-Nr. 8643k) hat porträtieren lassen. Das Gedicht entstand übrigens erst 1661, der Dichter wird also das von Rembrandt geschaffene Bildnis (vgl. auch Inv.-Nr. 6050, 6051, 6051a, 6052) bereits gekannt haben, bevor es, zusammen mit der Schrift, gedruckt wurde.

Uta Kuhl
Lieven Willemsz. van Coppenol (1598-1667), niederländischer Kalligraph.

Einen späteren Zustand, in dem die Platte von fremder Hand beschnitten wurde, sodass nur noch der Kopf des Porträtierten zu sehen ist, zeigt Inv.-Nr. 6052.
Vgl. hierzu auch Inv.-Nr. 6050, 6051 und 6051a.

Details zu diesem Werk

Radierung, Kupferstich und Kaltnadel 337mm x 285mm (Bild) 344mm x 290mm (Platte) 474mm x 322mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 6052a Sammlung: KK Druckgraphik, Niederlande, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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