Giovanni Jacopo Caraglio, Stecher
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder
nach Raffael (Werkstatt), Maler

Der Rat der Götter im Olymp, um 1527

Die beiden als illusionistische Bildteppiche gemalten großen Deckenbilder im Gartensaal der Villa Farnesina fanden schon im 16. Jahrhundert das Interesse der Graphiker. (Anm. 1) Allerdings ist das Echo überschaubar und es ist dabei wie häufig bei Raffael zu unterscheiden, ob die Reproduktion auf dem fertigen Werk oder auf einer Vorstudie beruht. Letzteres ist der Fall bei dem großformatigen Kupferstich Der
Rat der Götter im Olymp, dessen Autorschaft heute relativ einstimmig Jacopo Caraglio zugewiesen wird. (Anm. 2)

Die seitenverkehrt wiedergegebene Darstellung zeigt eine Versammlung der Götter. Jupiter sitzt als Oberhaupt leicht erhöht in nachdenklicher Pose. Aufmerksam hört er seinem Sohn Amor zu, der ihm von seiner Liebe zur irdischen Königstochter Psyche berichtet. Dessen neben ihm stehende Mutter Venus ist darüber allerdings keineswegs begeistert, wie man an ihrer Mimik und Gestik ablesen kann. Sie ärgert sich maßlos über ihren Sohn, da er sich ausgerechnet der von ihr wegen ihrer Schönheit verhassten Psyche zugewandt hat. Passive Zeugen dieses Familienzwists sind um diese Hauptgruppe versammelte weitere Gottheiten wie Juno oder Herkules. Die Lösung des Konflikts bahnt sich im rechten Bildfeld an, wo Merkur der Psyche die Schale mit dem Trunk der Unsterblichkeit überreicht. Dies bedeutet, dass sie in die himmlische Götterwelt aufgenommen wird und Amor heiraten darf. Dieses Ereignis wird dann im zweiten
Deckenbild der Villa Farnesina dargestellt.

Bei einem genauen Vergleich erweist sich Caraglios Wiedergabe in vielen Details abweichend von dem Deckenfresko. Beispielhaft sei erwähnt, dass der leicht erhöht sitzende Jupiter auf dem Stich ohne Bart erscheint. Auch ist die teppichartige Rahmung nicht dargestellt. Tatsächlich verwendete Caraglio für den linken Teil seines Stichs eine in Paris bewahrte, heute Raffael zugeschriebene Vorzeichnung, die für das endgültige Fresko nicht benutzt wurde. (Anm. 3) Denkbar ist auch, dass er zudem auf eine weitere, heute in München befindliche Raffael-Zeichnung zurückgriff. (Anm. 4) Bei allen Übereinstimmungen zwischen Pariser Vorzeichnung und Stich gibt es doch auch kleinere Unterschiede. So wurde im linken Bereich Junos Attribut, der Pfau, hinzugefügt.

Caraglio kam wohl erst nach Raffaels Tod nach Rom. Dort setzte er mit seiner auch beim Rat der Götter im Olymp erkennbaren Art, die malerischen Qualitäten des Kupferstichs auszuloten, einen Gegenpol zu Raimondis eher linearem Stil. (Anm. 5) Wie Caraglio an die mit großer Subtilität ausgeführte Vorzeichnung gelangte und warum er keinen Kupferstich nach dem zweiten großen Deckenbild ausführte, ist unbekannt. (Anm. 6) Da Caraglio bei der Plünderung Roms, dem Sacco di Roma, die Stadt fluchtartig verließ, ist eine Entstehung des Kupferstichs vor 1527 relativ wahrscheinlich. (Anm. 7)
Eine relativ genaue Wiedergabe der Götterversammlung ist erst um 1640 mit einer Radierung François Perriers nachweisbar. (Anm. 8)
David Klemm

LIT (Auswahl): Bartsch XV (1813), S. 89–90, Nr. 54; Boorsch/Spike 1985, S. 187–
191, Nr. 2802.054 S1; Bernini Pezzini/Massari/Prosperi Valenti Rodinò 1985, S.
152–153, Nr. 11; Ausst.-Kat. Mantua/Wien 1999, S. 132–133, Nr. 73, 74; Höper
2001, S. 347, Nr. E 8.1

1 Bernini Pezzini/Massari/Prosperi Valenti Rodinò 1985, S. 154.
2 Vasari hielt den Stich für eine Arbeit von Agostino Veneziano in Zusammenarbeit mit Marco Dente; vgl. Bernini Pezzini/Massari/Prosperi Valenti Rodinò
1985, S. 153, Nr. 11.
3 Paris, Fondation Custodia, Sammlung Frits Lugt, Inv.-Nr. JBS 117; zur komplexen Frage der Zuschreibung vgl. Ausst.-Kat. Mantua/Wien 1999, S. 133 (Beitrag
Achim Gnann).
4 Ebd.
5 Gramaccini/Meier 2009, S. 83.
6 Die Rötelstudie ist wohl im linken Bereich beschnitten worden, so dass Caraglio
auch für den rechten Abschnitt seines zur Vorzeichnung seitenverkehrten
Stichs eine genaue Vorlage besessen haben könnte.
7 Später gelangte Caraglio über Venedig nach Krakau, wo er als Gemmenschneider verstarb.

Details zu diesem Werk

Kupferstich 379mm x 546mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 550 Sammlung: KK Druckgraphik, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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