Anonym, 2. Hälfte 16. Jahrhundert (niederländisch)

Entwurf für eine Silberarbeit: Kampf zwischen Lapithen und Kentauren, umrahmt von Grotesken und Rankenwerk, um 1600

Bei dieser kleinformatigen Zeichnung handelt es sich um den Entwurf für einen kunstgewerblichen Gegenstand, vielleicht den Deckel einer silbernen Dose, wie kürzlich von Peter Fuhring vorgeschlagen wurde.(Anm.1) Die abweichende Ornamentik an der unteren Längsseite – ein Medusenkopf ersetzt den geflügelten Maskaron – ist als Alternativentwurf zu verstehen. Der mittig wiedergegebene „Kampf zwischen Lapithen und Kentauren auf der Hochzeit von Peirithoos und Hippodameia“(Anm.2) geht vielleicht zurück auf eine gestochene Vorlage.(Anm.3) Die szenische Darstellung ist sperriger gezeichnet als die ornamentale Rahmung, was wohl in erster Linie durch die kunsthandwerkliche Ausrichtung des unbekannten Zeichners zu erklären ist.
Bei ihrem Eingang in die Kunsthalle wurde die Zeichnung der niederländischen Schule des 16. Jahrhunderts zugeordnet. Müller-Hofstede bezeichnete das Blatt indes als „italienisch“, während Peter Fuhring eine Zuordnung zur deutschen Schule nicht ausschließen mochte.(Anm.4) Diese heterogenen Bezüge lassen sich vielleicht auflösen, wenn man das Blatt mit einem der vielen Künstler in Verbindung bringt, die im 16. Jahrhundert an europäischen Fürstenhöfen tätig waren. Dazu gehörte der zwischen 1500 und 1524 in Antwerpen geborene, aber in Nürnberg, Augsburg und Prag wirksame Erasmus Hornick (gest. 1583). Dessen Zeichnungen sind sorgfältiger ausgeführt, aber in Figurenbildung und ornamentalem Rahmenwerk unserem Blatt durchaus verwandt.(Anm.5)
Die geflügelten Puttenköpfe treten in der niederländischen Ornamentik erstmals um 1560 auf,(Anm.6) und die aus den Ranken wachsenden Figuren begegnen ähnlich auf Stichen der Gebrüder Van Doetecum nach Entwürfen des Vredeman de Vries, ebenso wie die athletisch gebauten Kämpfer des zentralen Bildfeldes.(Anm.7)

Annemarie Stefes

1 Mitteilung pe E-Mail vom 25. 10. 2009 nach Ansicht einer Digitalphotographie.
2 Ovid, Metamorphosen 12, 210–244.
3 Vorgeschlagen von Günter Irmscher in einem Brief vom 20. 5. 2005.
4 Undatierte Kartonnotiz bzw. E-Mail vom 25. 10. 2009, siehe Anm. 1.
5 Vgl. Zeichnungen in New York, Metropolitan Museum of Art, Inv.-Nr. 58.525.9, oder Aukt.-Kat. Amsterdam, Sotheby’s, 12. 11. 1996, Nr. 2; vgl. auch John Hayward: The Goldsmiths' Designs of the Bayerische Staatsbibliothek reattributed to Erasmus Hornick, in: The Burlington Magazine 110, 1968, S. 201-206 und John Hayward: The drawings and engraved ornament of Erasmus Hornick, in: The Burlington Magazine 110, 1968, S. 383-389 mit weiteren Abbildungen.
6 Z. B. auf je einem Stich von Hans Liefrinck (1560), Marcus Geerarts (um 1575) und Theodor de Bry (1589), Berliner 1981, Bd. 2, Abb. 675, Abb. 700 und Abb. 718. Für die florale Ornamentik vgl. einen um 1590 datierenden Stich des Adriaen Collaert, ebd. Abb. 726.
7 Um 1565/69, Henk Nalis: The Van Doetecum Family. Part II, The Antwerp Years, 1554-1575, hrsg. von Ger Luijten, Christiaan Schuckman, The New Hollstein Dutch and Flemish Etchings, Engravings and Woodcuts 1450-1700, Rotterdam 1998, Bd. 2, Nr. 529 und ebd. Nr. 327–329 aus dem Jahre 1563.

Details zu diesem Werk

Pinsel in Braun über Graphit, braun laviert; aufgezogen auf hellblau grundierten Karton, dort Einfassungslinien (Feder in Braun) 112mm x 162mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 52375 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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