Aert Schouman, zugeschrieben, Zeichner
Jan Havicksz. Steen, ehemals zugeschrieben
Wirtshausszene - "Vrouws Hand boven", vor 1766
Dargestellt ist ein Mann, der im Wirtshaus von seiner Frau mit dem Pantoffel verprügelt wird. Die alte Beischrift nennt Jan Steen als Urheber, und in der Tat kann der Zeichnung ein verschollenes Werk des Künstlers zugeordnet werden.(Anm.1) Die Zuschreibung an Aert Schouman basiert auf dem Auktionskatalog der Sammlung Oudaan (1766): Die dort im Album L aufgeführte Zeichnung „Vrouwshand boven, door A. Schouman, na J. Steen, met roet gewasschen“ ist sicher identisch mit dem Hamburger Blatt, das sich stilistisch den ähnlich breitflächig lavierten Inv.-Nr.1963-347 und 1963-348 anschließen lässt. Durch den Verkauf im Jahre 1766 ist ein Terminus ante quem gegeben für die Datierung der Zeichnung.
Verwandten Motiven begegnet man auch bei anderen Künstlern, z. B. Jan Miense Molenaer.(Anm.2) Wie auf einem Stich des Salomon Saverij aus dem Jahre 1610 wird der unglückliche Wirtshausbesucher für seine übermäßige Hingabe an die Trunksucht bestraft.(Anm.3) Für das Thema des Geschlechterkampfes gab es im 17. Jahrhundert eine eigene Ikonographie; die explizite Darstellung eines von seiner Frau geschlagenen Mannes ist jedoch als Bildmotiv vergleichsweise selten.(Anm.4) Hier ist durch den in die Komposition integrierten Spruch „Vrouws Hand boven“ ein Zusammenhang mit dem bei Steen beliebten Thema der „verkehrten Welt“ gegeben.(Anm.5) Die Frau hat die Oberhand, der Mann wendet sich hilfesuchend an den Betrachter, das Kleinkind weint: Die gottgewollte Ordnung ist aus den Fugen geraten, der Mann in diesem Fall nicht länger das von höchster Instanz eingesetzte Haupt der Familie.
Annemarie Stefes
1 Zuletzt erwähnt auf der Auktion Van der Linden van Slingeland, Dordrecht 1785 (Lugt Ventes 3936), Nr. 405; Cornelis Hofstede de Groot: Beschreibendes und kritisches Verzeichnis der Werke der hervorragendsten holländischen Maler des 17. Jahrhunderts. Jan Steen, Gabriel Metsu, Gerard Dou, Pieter de Hooch, Carel Fabritius, Johannes Vermeer, Bd. 1, Esslingen u.a. 1907, Nr. 193: „Das gestörte Kartenspiel. Eine Frau hat ihren Mann, einen Handwerker, der von Jan Steen zum Kartenspiel im Wirtshaus verleitet wurde, an den Haaren gepackt und prügelt ihn mit ihrem Pantoffel. Ihr Kind steht dabei und heult. Jan Steen lacht herzlich über die Scene“, vgl. auch Karel Braun: Alle tot nu toe bekende schilderijen van Jan Steen, Rotterdam 1980, Nr. A 595.
2 „Der Tastsinn“, 1637, Den Haag, Koninklijk Kabinet van Schilderijen Mauritshuis, Inv.-Nr. 572–576; „Die Bestrafung des Hurenläufers“, 1650, Kunsthandel Maastricht (Noortman), März 1999.
3 Salomon Saverij nach Joos Goeimaere, „Ein Mann wird von drei Frauen geschlagen“, H. 3, Mirror of Everyday Life. Genreprints in the Netherlands 1550-1700, bearb. v. Eddy de Jongh, Ger Luijten Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Ghent 1997, Nr. 23.
4 Mirror of Everyday Life. Genreprints in the Netherlands 1550-1700, bearb. v. Eddy de Jongh, Ger Luijten Ausst.-Kat. Amsterdam, Rijksprentenkabinet, Ghent 1997, S. 138–139; vgl. den Stich von Cornelis Kittensteyn „Mans Hand Boven“, H. 19 und das Emblem von Andries Pauli in Antonius a Burgundia, Mundi lapis Lydius, Antwerpen 1639, ebd. S. 139, Abb. 3.
5 Dies wird auch deutlich an einem von Joos de Bosscher herausgegebenen Stich, der die Herrschaft der Frauen unter der Devise „D’Overhant“ thematisiert, Gibson 1978, S. 677–679, Abb. 5; vgl. auch einen Stich des Israel van Meckenem, „Der Streit um die Hose“, B. 173, Tussen heks en heilige. Het vrouwbeeld op de drempel van de moderne tijd, 15de/16de eeuw, Ausst.-Kat. Nimwegen, Commanderie van Sint-Jan, Nimwegen 1985, Nr. 45. Zu der in der holländischen Literatur des 17. Jahrhunderts besonders betonten Rolle der Frau als Hüterin der häuslichen Ordnung vgl. Simon Schama: Überfluss und schöner Schein, hrsg. von Elisabeth Nowak, München 1988, S. 405–460; zu Jan Steens „Liederlichem Haushalt“ von 1668, London, Wellington Museum, als Exemplum für die Darstellung der verkehrten Welt: vgl. ebd., S. 420–422.