Anonym, 1. Hälfte 18. Jahrhundert (?) (italienisch)

Der ungläubige Thomas

Die Darstellung der Szene „Der ungläubige Thomas“ spielt in der katholischen Reform eine große Bedeutung als Sinnbild für die Bekehrung von Zweiflern und Ungläubigen. Es fand spätestens seit Caravaggios schockierender Bildlösung verstärkte Aufmerksamkeit bei Auftraggebern und Künstlern. Die auf dem Hamburger Blatt erkennbare Komposition ist allerdings weit von dessen Darstellung entfernt. Anstelle des fast brutalen Eindringens in die Wunde Christi bei Caravaggio findet sich hier eine sanfte, fast streichelnde Berührung. Thomas wird Zeuge eines Wunders, was sich in seinem Gesicht und in der vor die Brust gelegten linken Hand ausdrückt. Höchst selten in der Ikonographie des Themas ist die sitzende Position von Christus.(Anm.1) Beispielhaft sei ein Gemälde von Mattia Preti angeführt, das allerdings kompositionell ansonsten nicht mit dem Hamburger Blatt verbunden werden kann.(Anm.2)
Die Zeichnung wurde ehemals laut Verso-Notiz einem Mitglied der Familie Tiepolo zugeschrieben, doch ist dies fern jeder Diskussion. Eine genaue Einordnung ist schwierig, was auch an der bescheidenen zeichnerischen Qualität des Blattes liegt.(Anm.3)

David Klemm

1 Hinweis von Marcus A. Hurttig, Hamburg, der in seiner Dissertation der Genese des Caravaggio-Motivs und dessen Wirkung nachgegangen ist. Vgl. Marcus A. Hurttig, Caravaggios "Ungläubiger Thomas“. Eine ikonographische Untersuchung. Dissertation, Universität Mainz, Baden-Baden 2014.
2 Rom, Privatbesitz. Hinweis von Marcus A. Hurttig.
3 Vgl. u. a. das Verhältnis der Beine Christi zum Oberkörper, die Füße.

Details zu diesem Werk

Feder in Dunkelbraun über Rötel und schwarzen Stift, braun laviert; Einfassungslinie in Braun 340mm x 230mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 52278 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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