Pompeo Pedemonte

Entwurf eines Triumphbogens, um 1549(?)

Die Zeichnung gelangte als anonyme italienische Arbeit ins Kabinett. Abgesehen von einer Zuweisung von Tilman Buddensieg an Giovanni Antonio Dosio blieb das Blatt bislang unbeachtet.(Anm.1) Aufgrund vielfältiger Forschungen der letzten fünfzehn Jahre lässt sich die Zeichnung nun unzweifelhaft dem im 16. Jahrhundert in Mantua tätigen Architekten Pompeo Pedemonte zuordnen.(Anm.2)
Die Architektur ist zweiteilig: Über der kräftigen Rustika des Erdgeschosses erhebt sich ein vielgliedriger Aufbau aus Portalen und Aufsätzen, in den Bilder und Statuen eingefügt sind. Die wenig homogene Anordnung lässt in der offensichtlichen Inszenierung von Macht und Pracht auf eine ephemere Aufstellung, wie z. B. einen Triumphbogen, schließen. Hierfür sprechen nicht zuletzt die drei Bogenöffnungen.
Sehr eng verbinden lässt sich die Hamburger Zeichnung mit vier weiteren Entwürfen für Triumphbögen in London (Anm.3), Mailand (Anm.4) und Florenz (Anm.5). Alle stellen Variationen desselben Grundmotivs da. Mal setzt der Entwerfer – wie auf dem Hamburger Blatt – zwei kleine Portale auf die großen Rundbögen des Erdgeschosses, mal bilden halbrunde Nischen den Aufsatz. Einige Entwürfe zeigen ein reiches Figurenprogramm, andere sind stärker auf Bildfelder ausgerichtet. Vier der fünf Zeichnungen weisen Kommentare auf. Mit den beiden Mailänder Entwürfen hat die Hamburger Zeichnung vor allem die dort unterschiedlich starke Verwendung der Rustika gemein. Ähnlich ist auch die Gestaltung des oben mittig hervorgehobenen Geschosses, wobei dort jeweils ein querrechteckiges Feld für Schrift oder ein Bild vorgesehen ist. Die in Hamburg oberhalb der Portale erkennbaren großen Nischen für Skulpturen finden sich dagegen auf dem Entwurf in London wieder. An dieser Stelle weisen die anderen drei Entwürfe lediglich kleine halbrunde Öffnungen für Büsten auf. Einen ähnlichen oberen Abschluss bieten Mailand (Albo di Pellegrino Nr. 5) und Hamburg, wobei zwei Putti oder Genien ein wohl für ein Wappen vorgesehenes hochovales Schild halten.
Ein Vergleich der Zeichnungen lässt keinen klaren Entwurfsprozess erkennen. Auffallend schlicht wirkt der Londoner Entwurf. Er zeigt eine auf wesentliche Grundformen reduzierte und stringent angeordnete Lösung. Letztlich bleibt aber offen, ob diese Variante den Endpunkt aller Überlegungen dokumentiert. Vielleicht stellten die fünf Zeichnungen auch lediglich Alternativen dar, die Pedemonte seinem Auftraggeber gleichzeitig vorlegte. Die Inschriften deuten seine Flexibilität gegenüber Einwänden an. Eine kleine Skizze auf dem Mailänder Blatt (Albo di Pellegrino Nr. 5) könnte einen korrigierenden Entwurf darstellen.
Fernab der architektonischen Übereinstimmungen lassen sich sämtliche hier angesprochenen Zeichnungen aufgrund der identischen Zeichentechnik einem Entwerfer zuordnen. Übereinstimmend sind die Art der Figurenbehandlung und die Andeutung von Schrift durch kleine Kürzel. Als markanter Unterschied sei darauf verwiesen, dass die Lavierung auf dem Hamburger Blatt vergleichsweise zurückhaltend eingesetzt wurde.
Lange Zeit war unklar, von wem diese fünf Entwürfe für Triumphbogen sowie andere ähnlich gezeichnete Architekturentwürfe stammen. So wurde das Londoner Blatt 1941 zunächst dem Mantuaner Architekten Giovanni Battista Bertani (1516– 1576) zugeschrieben. Dies ging wohl im Wesentlichen auf die auf dem Blatt vermerkte Erwähnung des Mantuaner Doms und Vitruvs zurück. Die beiden Mailänder Zeichnungen wurden aufgrund traditioneller Zuweisung stets für Entwürfe von Pellegrino Tibaldi (1527–1596) gehalten. Erst 1990 gelang Patrizia Trupiano der überzeugende Nachweis, dass die Handschrift auf dem Londoner Blatt von dem ebenfalls in Mantua tätigen Architekten Pompeo Pedemonte stammt.(Anm.6) Mit diesem Beweis war ein wichtiger Baustein für die erfolgreiche Rekonstruktion von dessen zeichnerischem Œuvre gegeben. Das Beispiel belegt eindrucksvoll, wie ein zuvor fast unbekannter Künstler durch Beiträge verschiedener Wissenschaftler binnen weniger Jahre an Kontur gewinnen kann.(Anm.7) Wie oben aufgezeigt, lässt sich das Hamburger Blatt bestens in den bekannten Bestand einfügen.
Nicht genau zu bestimmen ist der Anlaß für die Entwürfe. Denkbar ist, dass sie für den Einzug von Katharina von Österreich, der versprochenen Ehefrau von Francesco III. Gonzaga, in Mantua im Jahr 1549, entstanden sind. Ein anonymer Chronist hat über die Feierlichkeiten berichtet und dabei auch auf zwei hölzerne Pforten („due porte di legname“) hingewiesen.(Anm.8) Diese waren „tutte dipinte a modo d’archi maestralmente fabricate, con alcuni quadri di tela inserti dentro, nei quali varie figure dipinte si scorgevano“.(Anm.9) Wenn auch keine genau entsprechende Beschreibung hierin erkannt werden kann, so deutet die Quelle den Rahmen der damals geforderten Ausstattung eines Triumphbogens an. Größere Ähnlichkeit, wenn auch ebenfalls keine genaue Entsprechung, weisen die Entwürfe mit einer anderen Beschreibung aus dem Jahr 1549 auf. Darin wird berichtet, dass beim Eingang zum Kastell ein dreitoriger Vorbau mit sechs Säulen sowie einer bekrönenden Statue des Markgrafen aufgestellt worden ist.(Anm.10) Die Hamburger Zeichnung mag demnach einen Entwurf für einen Triumphbogen dokumentieren, der möglicherweise aufgrund seiner überbordenden Detailfülle in der praktischen Umsetzung reduziert werden musste.
Rätselhaft war bis vor wenigen Jahren auch das auf der Hamburger Zeichnung sowie auf einer Reihe von anderen Blättern erkennbare eigenartige Signet in Form eines Herzens mit Kreuz (oben) und zwei P-Majuskeln im Zentrum. Die Lösung dieser Frage gelang Barton Thurber, als er 1994 siebzehn Zeichnungen, die zuvor Pellegrino Tibaldi, zugeschrieben waren, Pedemonte zuwies.(Anm.11) So ist das Zeichen der Nachweis der Autorschaft von Pompeo Pedemonte. Barton Thurber schlug zudem vor, die Zeichen im unteren Teil des Signets als Buchstaben AM zu lesen und sie mit „architetto mantovano“ aufzulösen. Mit der Kenntnis dieser Marke können nun außer dem Hamburger Blatt auch zahlreiche andere Zeichnungen eindeutig diesem Künstler zugeschrieben werden.
Zu fragen wäre allerdings, ob dieses Zeichen – das fast wie ein Sammlerzeichen wirkt und für die Beschriftung von Architekten-Zeichnungen ungewöhnlich ist – möglicherweise erst von Nachlassverwaltern verwendet wurde.

David Klemm

1 Kartonnotiz.
2 Zu Pedemonte vgl. Paolo Carpeggiani: Un architetto in penombra: Pompeo Pedemonte (1515c.-1592). Catalogo dei disegni, in: Storia dell’Architettura e Dintorni dal Cinquecento al Novecento, hrsg. v. Paolo Carpeggiani, Mailand 2002, S. 7-80, S. 7–80.
3 London, Courtauld Institute of Art, Coll. Blunt, 362 x 254 mm; vgl. Paolo Carpeggiani: Il Libro di Pietra. Giovan Battista Bertani architetto del Cinquecento, Mailand 1992, S. 97 und Paolo Carpeggiani: Un architetto in penombra: Pompeo Pedemonte (1515c.-1592). Catalogo dei disegni, in: Storia dell’Architettura e Dintorni dal Cinquecento al Novecento, hrsg. v. Paolo Carpeggiani, Mailand 2002, S. 7-80, S. 18–19, Nr. 1.
4 Mailand, Civico Gabinetto dei Disegni, Raccolta Morbio, „Albo di Pellegrino. Disegni originali e autografi di Pellegrino Tibaldi“, Nr. 4. und 5; vgl. Paolo Carpeggiani: Un architetto in penombra: Pompeo Pedemonte (1515c.-1592). Catalogo dei disegni, in: Storia dell’Architettura e Dintorni dal Cinquecento al Novecento, hrsg. v. Paolo Carpeggiani, Mailand 2002, S. 7-80, S. 19, Nr. 3 und 4.
5 Florenz, Gabinetto Disegni e Stampe degli Uffizi, Sammlung Horne, Inv.-Nr. 5802, vgl. Paolo Carpeggiani: Un architetto in penombra: Pompeo Pedemonte (1515c.-1592). Catalogo dei disegni, in: Storia dell’Architettura e Dintorni dal Cinquecento al Novecento, hrsg. v. Paolo Carpeggiani, Mailand 2002, S. 7-80, S. 19, Nr. 5.
6 Trupiano 1990, S. 37–41; Carpeggiani 1992, S. 97.
7 Paolo Carpeggiani: Un architetto in penombra: Pompeo Pedemonte (1515c.-1592). Catalogo dei disegni, in: Storia dell’Architettura e Dintorni dal Cinquecento al Novecento, hrsg. v. Paolo Carpeggiani, Mailand 2002, S. 7-802, S. 17–18.
8 Zit. nach Paolo Carpeggiani: Il Libro di Pietra. Giovan Battista Bertani architetto del Cinquecento, Mailand 1992, S. 98.
9 Ebd.
10 Paolo Carpeggiani: Un architetto in penombra: Pompeo Pedemonte (1515c.-1592). Catalogo dei disegni, in: Storia dell’Architettura e Dintorni dal Cinquecento al Novecento, hrsg. v. Paolo Carpeggiani, Mailand 2002, S. 7-80, S. 19.
11 T. Barton Thurber: I disegni di Pompeo Pedemonte nel Civico Gabinetto dei Disegni di Milano, in: Il disegno di Architettura 5, 1994, S. 48-54, S. 48–54.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, braun laviert 284mm x 202mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 52275 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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