Guido Reni (Kopist)

Loth und seine Töchter

Die Zeichnung gibt das 1615/16 von Guido Reni geschaffene Gemälde „Loth und seine Töchter“ wieder.(Anm.1) Das Werk befand sich zumindest bis 1771 im Palazzo Falconieri (auch: Palazzo Lancelotti) in Rom. Zu diesem Zeitpunkt fertigte Domenico Cunego (1727–1803) in Rom einen Stich für die von Gavin Hamilton initiierte und finanzierte „Schola italica picturae“ an.(Anm.2) Pepper gibt dies als frühesten Nachweis des Gemäldes an.(Anm.3)
Die Hamburger Zeichnung weist eine allgemeine Übereinstimmung mit dem Vorbild auf. In zahlreichen Details sind jedoch Veränderungen vorgenommen worden. Zudem ist die linke Figur nicht vollständig wiedergeben; möglicherweise wurde die Zeichnung beschnitten.
Aufgrund einer Inschrift auf dem Verso wird das Blatt mit dem römischen Maler Vincenzo Camuccini (1771–1844) in Verbindung gebracht. Dieser soll mehrere Federzeichnungen für Zar Alexander I. von Rußland angefertigt haben. Derartige Blätter lassen sich bislang nicht nachweisen. Ein für Camuccini gesichertes Skizzenbuch aus den Jahren um 1814/1824 enthält eine Reihe von Kopien nach Gemälden zumeist älterer Meister, die als Federzeichnungen angelegt sind.(Anm.4) Allerdings sind diese Skizzen allesamt viel lockerer und skizzenhafter ausgeführt. Der dort sichtbare künstlerisch freiere Umgang mit den Vorlagen ist bei der Kopie nach Reni nicht erkennbar und wohl auch nicht erwünscht gewesen. Die Autorschaft Camuccinis erscheint daher angesichts des momentanen Kenntnisstandes seiner Zeichnungen kaum vorstellbar.
Wahrscheinlich handelt es sich bei dem Hamburger Blatt schlicht um eine künstlerisch wenig bedeutende Kopie des späten 18. oder frühen 19. Jahrhunderts. Ob der anonyme Zeichner nach dem Original, den Kopien danach (Anm.5) oder nach Cunegos Stich bzw. einer anderen nicht erhaltenen Reproduktionsvorlage zeichnete, ist nicht erkennbar. Die Art der engen Strichführung könnte auf die Verwendung einer graphischen Vorlage hindeuten. Die oben beschriebenen Abweichungen müßten dann auf Eigenwilligkeit bzw. Unfähigkeit des Kopisten zurückgeführt werden. Die Funktion der Nachzeichnung ist unklar, vielleicht stellt sie eine Art Erinnerungsskizze dar.

David Klemm

1 London, National Gallery.
2 Vgl. Veronika Birke in Guido Reni und der Reproduktionsstich, bearb. v. Veronika Birke, Ausst.-Kat. Wien, Graphische Sammlung Albertina, Wien 1988, S. 66, S. 146, Nr. 290. Für Hinweise bei der Einschätzung des Blattes ist Veronika Birke zu danken.
3 Stephen Pepper: Guido Reni. L’opera completa, Novara 1988, S. 231, Nr. 47.
4 Vincenzo Camuccini 1771-1844, bozzetti e disegni dallo studio dell’artista, Ausst.-Kat. Rom, Galleria Nazionale d’Arte Moderna, Rom 1978, S. 63–65.
5 Stephen Pepper: Guido Reni. L’opera completa, Novara 1988, S. 231, Nr. 47, vermerkt, dass wohl erst in den 1980er Jahren mehrere Kopien dieses Bildes im Kunstmarkt auftauchten.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun; aufgezogen 104mm x 127mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 52230 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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