Abraham Bloemaert, zugeschrieben
Anonym (italienisch?, 17. Jh.), ehemals zugeschrieben

Studien für einen segnenden Christus

Ursprünglich Francesco Villamena (1566–1624) zugeschrieben, wurde die Zuordnung dieser Zeichnung bis zuletzt kontrovers diskutiert. Auf dem Symposium „Italienische Altmeisterzeichnungen 1500 bis 1800“ am 27. und 28. 10. 2005 im Kupferstichkabinett der Hamburger Kunsthalle wurde die Autorschaft des Bernardino Poccetti (1542–1612) mit Vorsicht vorgeschlagen von Nicholas Turner und Chris Fischer. Später dachte Turner an die Hand des Abraham Bloemaert, ebenso wie Hugo Chapman und Bert W. Meijer.(Anm.1) Dies wiederum wurde von Holm Bevers und der Verfasserin zunächst bezweifelt.(Anm.2) So wurde die Zeichnung zuletzt von David Klemm (2009) als Werk eines anonymen italienischen Künstlers publiziert.
In einer erneuten Prüfung des Originals kam die Verfasserin jedoch zu dem Ergebnis, dass die Bezüge zu Abraham Bloemaert stärker sind als zu Werken italienischer Schulen. Aus diesem Grund wurde die alte Zuschreibung revidiert und das Blatt in den Katalog der Niederländischen Zeichnungen aufgenommen. In seiner Körperhaltung begegnet der segnende Christus ähnlich auf einer um 1629/30 angesetzten Stichvorzeichnung des Abraham Bloemaert in Amsterdam.(Anm.3) Auch dort steht Christus in leicht erhöhter Position auf einer Wolke. Das Schreitmotiv und der Faltenwurf sind größtenteils identisch, lediglich ist der Gewandsaum auf der Amsterdamer Zeichnung stärker gebauscht. Auf unserem Blatt ist die segnende Rechte weiter erhoben, die Handfläche stärker dem Betrachter zugewandt. Mit wenigen Strichen angedeutet ist die Dornenkrone, wohingegen das über die Schulter gelegte Kreuz des Stecherentwurfes hier nicht ausgemacht werden kann.
Ihrem Charakter nach handelt es sich bei unserer Zeichnung um ein Studienblatt, das in zwei weiteren Detailstudien das Motiv variiert. Ähnlich gearbeitete Studien Bloemaerts aus den späten 1620er Jahren werden z. B. in Boston, New York und St. Petersburg verwahrt, wobei die Pinselarbeit der Hamburger Zeichnung mit roter Farbe und Deckweiß nur bei näherem Hinsehen zu erkennen ist.(Anm.4) Ungewohnt bleibt in diesem Zusammenhang die sehr offene Konturierung des Kopfes, und auch die Hände werden bei Bloemaert in der Regel als geschlossene Volumina behandelt. Diese Abweichungen geben Anlass zu leichtem Vorbehalt bei der Zuschreibung an Bloemaert.

Annemarie Stefes

1 Mitteilungen auf Grundlage einer Digitalphotographie, 18.1.2008 (Chapman, Turner) bzw. 2.5.2008 (Meijer, mit Vorbehalt).
2 Mitteilungen an David Klemm im April 2008.
3 „Christus und Gottvater erscheinen dem Hl. Ignatius von Loyola“ (Rötel, Feder in Braun, braun laviert, Deckweiß, 425 x 338 mm), Amsterdam, Rijks­prentenkabinet, Inv.-Nr. RP-T-1883-A-255, Jaap Bolten: Abraham Bloemaert. The Drawings. Catalogue, 2 Bde, Leiden 2007, Nr. 285 mit Abb. Diese Zeichnung wurde in seitengleicher Ausrichtung von Cornelis Bloemaert d. J. gestochen, ebd. Abb. 285 a.
4 Um 1625/29, Boston, Museum of Fine Arts, Inv.-Nr. 15.1254 (schwarze Kreide, Deckfarben in Rot und Weiß), Jaap Bolten: Abraham Bloemaert. The Drawings. Catalogue, 2 Bde, Leiden 2007, Nr. 905; um 1620/30: New York, John & Alice Steiner Collection (Rötel, Deckweiß), ebd. Nr. 906; um 1620/30, St. Petersburg, Staatliches Museum Eremitage, Inv.-Nr. 14932 verso (Rötel, Deck-weiß), ebd. Nr. 1090; vgl. auch die um 1610/20 in Rötel und Deckweiß gezeichnete Draperiestudie an unbekanntem Standort, ebd. Nr. 1086.




laut David Klemm:
Anonym, 17. Jahrhundert, italienisch (?)

Das unpublizierte Blatt gelangte aufgrund einer alten Verso-Notiz als Arbeit Francesco Villamenas (1556–1624) in das Kabinett. Wenn auch diese Zuordnung ohne Zweifel als irrig anzunehmen ist, so ist eine überzeugende alternative Attribution bislang nicht gelungen. Die auf dem Hamburger Symposium im Oktober 2005 geäußerten Meinungen bewegten sich von einer möglichen Entstehung in Florenz, um 1600 mit einer Zuweisung an Bernardino Poccetti (1542–1612)1 bis zu Venedig im 18. Jahrhundert. Die relativ feste und konkrete Ausführung der Figuren spricht durchaus für eine Entstehung im Florentiner Kunstkreis, weil diese Eigenschaften für die venezianische Zeichenkunst des 18. Jahrhunderts eher untypisch sind. Hugo Chapman2 und Nicholas Turner3 dachten an Abraham Bloemaert, was von Annemarie Stefes4 und Holm Bevers5 bezweifelt wird. Bert W. Meijer hält eine Zuordnung an Bloemaert dagegen für denkbar, wenn auch z. B. die Gestaltung des Kopfes nicht eindeutig an diesen Künstler erinnert.6
Unabhängig von diesen Zuordnungsproblemen ist die Qualität der beiden Entwürfe einer offensichtlich segnenden Christusfigur unbestritten. Der Rötel ist sehr gekonnt und wirkungsvoll zur Modellierung der Figuren eingesetzt.

1 Nicholas Turner und Chris Fischer schlugen mit Vorsicht Poccetti vor.
2 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 18. 1. 2008.
3 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 18. 1. 2008.
4 Mündliche Mitteilung, April 2008.
5 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, April 2008.
6 Mündliche Mitteilung auf der Grundlage einer Digitalphotographie, 2. 5. 2008.

Details zu diesem Werk

Rötel, Pinsel in Rot und Deckweiß (stark abgerieben) 262mm x 172mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 52217 Sammlung: KK Zeichnungen, Niederlande, 15.- 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

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