Andrea Palladio (Kopist)

Architrav, Fries und Gesims des Tempels des Mars Utor in Rom, um 1600

Die Zeichnung mit dem Gesimsdetail des römischen Tempels des Mars Ultor geht zurück auf einen Holzschnitt aus Buch IV von Andrea Palladios „Quattro libri dell’Architettura“.(Anm.1) Auffallend ist, dass das Gesimsdetail aus einem Blatt mit mehreren Architekturgliedern des Tempels herausgelöst wurde und dass das Hamburger Blatt viele der im Holzschnitt vollständig ausgeführten Ornamente nur ausschnitthaft wiedergibt. Bemerkenswert ist zudem, dass die bei Palladio angegebenen Maße nicht übernommen wurden.
Die Kopie wurde – wie Matthias Winner für identisch gezeichnete Blätter in Berlin ermittelte – um 1600 von einem anonymen Zeichner angefertigt;(Anm.2) dessen italienische Herkunft ist aufgrund der Beschriftung wahrscheinlich. Von dem anonymen Zeichner sind weitere Blätter nachweisbar: zwei in Hamburg (Inv.-Nrn. 52184-52185) sowie vier Zeichnungen im Vatikan und zwei in Berlin. Es handelt sich um folgende Blätter:

Tempel des Antoninus und der Faustina, BAV, Vat. lat. 9838, fol. 1 (Pozzo 308)
Tempel des Mars Ultor, Hamburg Inv.-Nr. 52183 (Pozzo 305)
Tempel von Mars Ultor, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett, KdZ 17525 (Pozzo 303)
Antoninus und Faustina, BAV, Vat. lat. 9838, fol. 2 (Pozzo 307)
Rundtempel am Tiber, BAV, Vat. lat. 9838, fol. 3 (Pozzo 315)
Vitruv-Basilika, BAV, Vat. lat. 9838, fol. 4 (Pozzo 314)
Venus und Roma, Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstich­kabinett, KdZ 17526 (Pozzo 309)
Minerva Medica, Hamburg Inv.-Nr. 52184 (Pozzo 311)

Die Zeichnungen entstanden bis auf diejenige mit Details aus Euklids "Elementen" nach den Holzschnitten in Palladios "Quattro Libri". Dargestellt wurden die ersten sechs Gebäude im Buch IV, dazu der Rundtempel im Forum Boairium, das Gesims des Tempels von Castor and Pollux, Palladios Interpretation von Vitruvs Angaben zu Basiliken und die Methode, eine Entasis zu schaffen. Die Art der Beschriftung einiger dieser Blätter weist auf das späte 16. oder frühe 17. Jahrhundert.
Sämtliche angegebene Blätter sowie das Hamburger Blatt Inv.-Nr. 52185 wurden um 1680 von einem anonymen Kopisten abgezeichnet. Dabei wurde die Beschriftung zumeist fortgelassen; lediglich die Maßangaben wurden noch übernommen. Da einige der Vorlagen auf drei Blätter verteilt wurden, sind insgesamt vierzehn Zeichnungen nach dem "Kopisten um 1600" im Museo Pozzo nachweisbar. In dieser als "Papiermuseum" bzw. als "Museo Cartaceo" bezeichneten Sammlung dokumentierte der römische Gelehrte Cassiano dal Pozzo (1588-1657) alle noch sichtbaren Spuren antiken Lebens in Rom. Insgesamt umfasste das "Museum" über 6.500 Zeichnungen, die nach fünf Hauptgruppen geordnet in 23 Büchern aufbewahrt wurden.
Das vorliegende Blatt entspricht der Nr. 305 Im Museo Pozzo.(Anm.3) Eine Variante des Gesimses ohne die ornamentalen Verzierungen befindet sich in Serlios "Architettura".(Anm.4)
Sammlungsgeschichtlich von besonderem Interesse ist, dass acht der neun Blätter handschriftlich übereinstimmende Nummerierungen aufweisen. Hieraus kann gefolgert werden, dass sie sich ehemals in einer Sammlung befanden und von einem Vorbesitzer auf diese Weise geordnet worden sind. Vier der Blätter (Berlin und Hamburg) gelangten später in die Sammlung des Hamburger Architekten Ludwig Hermann Philippi. Die Provenienz der Blätter aus dem Vatikan ist unbekannt. Für die Hamburger Zeichnungssammlung ist nun wiederum von Interesse, dass vierzehn weitere Blätter aus der Sammlung Philippi (siehe Celio, Gaspare, Inv.-Nrn. 52163-52176) die identische Art der Nummerierung aufweisen und demnach gemeinsam mit den Palladio-Kopien zu der bislang nicht näher bestimmbaren Sammlung gehören.

David Klemm

1 Buch III, Kapitel 7, Taf. 125. Vgl. Andrea Palladio, Die vier Bücher zur Architektur. nach der Ausgabe Venedig 1570. I Quattro Libri dell’Architettura. Aus dem italienischen übertragen und hrsg. v. Andreas Beyer, Ulrich Schütte, Zürich, München 1983, S. 295, zum Tempel insgesamt S. 289-297.
2 Zeichner sehen die Antike, Europäische Handzeichnungen 1450-1800, bearb. v. Matthias Winner, Ausst.-Kat. Berlin, Staatliche Museen, Kupferstichkabinett, Berlin 1967, S. 40-42. Tilman Buddensieg schluf versuchsweise Vincenzo Scamozzi vor, doch lässt sich diese Annahme nicht bestätigen. Vgl. Archiv des Kupferstichkabinetts.
3 172 x 135 mm. Der Verbleib der Zeichnung unbekannt. Vgl. Ian Campbell, mit Beiträgen von Lynda Fairbairn: Ancient Roman Topography and Architecture. The Paper Museum of Cassiano dal Pozzo. A catalogue raisonné, Bd. 3. Dal Pozzos accessions in the later seventeenth century and miscellaneous earlier drawings, London 2004, S. 800-801, Nr. 305.
4 Serlio, De Architettura, fol. 89.

Details zu diesem Werk

Feder in Braun, Kreide 215mm x 156mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 52183 Sammlung: KK Zeichnungen, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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