Paolo Toschi, Stecher
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler
Heinrich Felsing, Drucker
Artaria & Fontaine (Mannheim), Verleger

Kreuztragung / "LO SPASIMO DI SICILIA", nach 1824

Das großformatige Gemälde mit der Kreuztragung Christi entstand 1515/16 im Auftrag des Giacomo Basilicò für die Olivetanerkirche S. Maria dello Spasimo in Palermo. (Anm.1) Der Legende nach war das Werk auf der Fahrt zu seinem Bestimmungsort bei einem Schiffsunglück bei Genua unbeschädigt an Land gespült worden. Dieses wundersame Ereignis verschaffte dem von Raffael und seiner Werkstatt ausgeführtem Gemälde schnell eine besondere Aura und Popularität. Zeitnahe Verbreitung fand die Komposition u. a. durch einen Kupferstich Agostino Venezianos, der allerdings offenbar auf eine Zeichnung Raffaels und nicht auf das Gemälde zurückgriff (Anm. 2) Danach geriet das Werk lange Zeit weitgehend aus dem Blickpunkt, da es im 17. Jahrhundert nach Spanien gelangte. Die Kunstraubzüge Napoleons führten das Werk 1813 nach Paris, wo es endlich einem breiteren Publikum bekannt wurde.

Allerdings führte diese Sichtbarkeit eines der unbestrittenen Hauptwerke Raffaels keineswegs sogleich zu zahlreichen Reproduktionen. Dies hing auch damit zusammen, dass sich das inzwischen restaurierte Gemälde seit 1818 wieder in dem damals für die Kunstreisenden noch sehr weit entfernten Spanien befand. Seit den 1830er Jahren lässt sich aber eine verstärkte Rezeption beobachten (Anm. 3), wobei dem repräsentativen Stich von Paolo Toschi besondere Bedeutung zukommt. Laut Inschrift hatte der Künstler das Gemälde während dessen Präsentation in Paris genau abgezeichnet und diese Vorlage dann in mehrjähriger Arbeit in Parma in einen Kupferstich umgesetzt.

Toschi stammte aus diesem traditionsreichen Kunstzentrum der Emilia und hatte dort seine Grundausbildung als Stecher erhalten. Auf ein höheres Niveau führte ihn ein längerer Aufenthalt in Paris, wo er u. a. bei dem herausragenden Kupferstecher Charles Clément Bervic (Inv.-Nr. kb-1863-85-517-I-94) lernte. 1819 kehrte er nach Parma zurück und gründete eine Schule für Kupferstecher, letztlich wurde er auch Direktor der dortigen Kunstakademie. Toschi befasste sich immer wieder mit Reproduktionsgraphik, wobei naturgemäß Correggio, der in Parma seine Hauptwerke geschaffen hatte, im Zentrum stand.

Die Kreuztragung veranschaulicht exemplarisch Toschis versierte Stichtechnik. Grundsätzlich ist die seitengleiche Wiedergabe sehr genau am Original orientiert. Charakteristisch ist eine gleichmäßige, präzise und sehr feine Linienführung. Die Schraffierungen sind sehr sorgfältig angelegt. (Anm. 4) Die Figuren weisen ein harmonisches Hell-Dunkel auf, was Toschi durch die Verwendung sehr kurzer Striche erzielte. Die klar konturieren Linien ergeben in der Summe einen eher harten, fast metallischen Gesamteindruck.

Das undatierte Blatt wurde dem Raffael-Verehrer Ludwig I. von Bayern gewidmet. (Anm. 5) Da dieser als König genannt ist, kann es frühestens 1825 gedruckt worden sein. (Anm. 6)
David Klemm

LIT (Auswahl): Apell 1880, S. 431, Nr. 5 VI (von VI); Höper 2001, S. 265, Nr. C
15.6 (mit älterer Lit.)

1 Zum Gemälde vgl. Meyer zur Capellen 2005, S. 150-157, Nr. 59 (mit älterer Lit.).
2 Vgl. Höper 2001, S. 264, Nr. C 15.1.
3 Passavant 1839b, S. 301.
4 Vgl. Calabi 1939, S. 313-314.
5 Über eine engere Verbindung Toschis zu König Ludwig I. ist nichts bekannt. Denkbar ist, dass die Initiative für die Widmung von dem Drucker Felsing ausging.
6 Passavant 1839b, S. 301 gibt als Datum allgemein 1832 an. Da es aber verschiedene Fassungen gibt – vgl. etwa die bei Apell 1880, S. 431, bei Nr. 5 erwähnte, bei Bardi in Florenz gedruckte Version – bleibt das Druckdatum des vorliegenden Kupferstichs offen.

Details zu diesem Werk

Kupferstich, Radierung, Nadelschrift 711mm x 488mm (Bild) 876mm x 625mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 50020 Sammlung: KK Druckgraphik, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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