François Forster, Stecher
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, ehemals zugeschrieben, Maler
A. Hauser, Paris, Verleger
Johann Velten, Verleger
Anagliphic Company, Verleger
Maison Hollandaise, Verleger

Bildnis Raffaels im Alter von 15 Jahren / "RAPHAËL SANZIO à l'âge de XV ans", 1843

Mit verträumtem Blick stützt sich ein Jüngling auf seinen rechten Arm und scheint seinen Gedanken nachzuhängen – sind es zukünftige Pläne, über die Kunst? Davon dürften der Stecher François Forster und seine Zeitgenossen ausgegangen sein, galt doch das Vorbild, an welchem sich der vorliegende Stich orientiert, ab dem 17. Jahrhundert für lange Zeit als Selbstbildnis des Künstlers Raffael im jungen Alter. In der jüngeren Forschung wird das Gemälde Parmigianino zugeschrieben; häufig aufgrund stilistischer Ähnlichkeiten zum Selbstbildnis im konvexen Spiegel. (Anm. 1) Die überlieferten Reproduktionsgraphiken des ehemals als Raffael identifizierten Bildnis eines Jünglings stammen aus dem 19. Jahrhundert, dabei vor allem aus der Zeit um 1800 – Ausnahmen bilden hier der vorliegende Stich sowie ein Blatt von der Hand Eduard Mandels. (Anm. 2) Im Zeichen des sich damals verdichtenden Raffael-Kultes und einem ständig steigenden Interesse an der Lebensgeschichte des Urbinaten (vgl. Ausstellungskatalog „Raffael. Wirkung eines Genies“ 2021 Kat. 161.1 bis 12 und 163.1 bis 13) bedeutete das Vorhandensein eines Portraits des Verehrten im jugendlichen Alter zugleich das Schließen einer Lücke und gab vermutlich nicht zuletzt angesichts der Schönheit des Dargestellten Anstöße für die dem 19. Jahrhundert eigene Idealisierung des Urbinaten zum „vergeistigten Idea-Künstler“. (Anm. 3)
François Forster galt bereits zu Lebzeiten als einer der wichtigsten Vertreter des akademischen Kupferstichs. Geboren im damals preussischen Le Locle (Neuchâtel), erlernte er zunächst das Handwerk des Uhrengraveurs, bevor er 1805 in Paris seine Ausbildung zum Kupferstecher bei Pierre Gabriel Langlois und an der École des Beaux-Arts anschloss. 1814 erhielt er nach dreimaliger Teilnahme den Rompreis der Französischen Akademie. Aufgrund der Niederlage Napoleons im selben Jahr und der Abtretung Neuchâtels an Preußen verlor er seine Ansprüche auf das Stipendium, konnte jedoch dank der Vermittlung Wilhelm von Humboldts unter preußischer Förderung einen zweijährigen Italienaufenthalt antreten. Ab 1817 stellte Forster regelmäßig im Pariser Salon aus und erhielt 1824 und 1828 eine Medaille, 1863 war er selbst Teil des Graphikkomitees für den Salon. 1828 erlangte er darüber hinaus die Französische Staatsbürgerschaft und wurde einige Zeit später zunächst Mitglied, dann Offizier der Ehrenlegion. Seine zahlreichen Reproduktionsgraphiken nach Gemälden Alter Meister, Portraits sowie Illustrationen für Publikationen verschiedenster Fachgebiete waren international anerkannt und bekannt für ihre Feinheit, Klarheit und das Talent Forsters, durch geschickten Umgang mit Linien den Eindruck von Farben zu erwecken – Fähigkeiten, die durch das vorliegende Blatt bestätigt werden. Innerhalb seines Œuvres, welches er bezeichnenderweise 1847 mit einem Stich nach Raffaels Vierge à la légende abschloss, nimmt es einen späteren Platz ein; von der bereits etablierten internationalen Bekanntheit des Stechers zeugen die breit gestreuten Verlegeradressen in der Bezeichnung. (Anm. 4)
Klara Wagner

LIT (Auswahl): Apell 1880, S. 158, Nr. 25 III (von III)

1 Siehe den Datenbankeintrag auf der Website des Louvre: http://cartelen.louvre.fr/cartelen/visite?srv=car_not_frame&idNotice=14003 (letzter Aufruf: 25. 3.2020); vgl. Ausst.-Kat. Paris 1983, S. 88, Nr. 44–45.
2 Höper 2001, S. 233–234, Nr. B 9.1–9.5. Als Beispiele aus der Zeit um 1800 nennt Höper unter anderem Blätter von Gilles-Antoine Demarteau d. J., Maria Cosway und Mauro Gandolfi. In einem Katalog der ausgestellten Gemälde des Louvre aus dem Jahr 1816 wird das Gemälde zwar noch unter der Autorschaft Raffaels geführt, jedoch hier nicht als ein Selbstbildnis des Künstlers, sondern als „Portrait d’un homme dont le bras es appuyée sur la main“ beschrieben; außerdem findet sich ein Hinweis auf einen Stich von der Hand N. [Nicolas; Anm. d. Verf.] Edelincks; Ausst.-Kat. Paris 1816, S. 217, Nr. 1022. Edelinck gibt das Gemälde seitenverkehrt wieder; aus der Bezeichnung geht hervor, dass sich das Gemälde zur Entstehungszeit des Stiches in der königlichen Sammlung befand; Exemplar in der Bibliothèque Nationale, Paris: https://gallica.bnf.fr /ark:/ 12148/ btv1b6956015j.r=nicolas%20edelinck?rk=64378;0 (letzter Aufruf: 25. 3. 2020).
3 Pfisterer 2012, S. 83. Besonders in der Nachfolge der Passavant-Biographie des Urbinaten wurde „Raffael der Madonnen-Maler intensiv erforscht“; Pfisterer 2012, S. 84.
4 Anderson-Riedel 2004, S. 447–448. 1847 übergab Forster sein gesamtes Werk der Bibliothèque Nationale in Paris, die dadurch auch über seltene Zustandsdrucke verfügt. Bereits 1823 erhielt Forster für seinen Stich Franz I. und Karl V. in der Kirche von St. Denis nach Antoine-Jean Gros die stattliche Summe von 50.000 Francs – ein weiterer Aspekt, der neben den zahlreichen Auszeichnungen und Mitgliedschaften vom Ansehen des Stechers bereits zu seinen Lebzeiten kündet.

Details zu diesem Werk

Kupferstich, Nadelschrift 268mm x 214mm (Bild) 468mm x 364mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 50014 Sammlung: KK Druckgraphik, Frankreich, 19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang

Wir sind bestrebt, die Art und Weise zu hinterfragen, wie wir über Kunst und unsere Sammlung sprechen und diese präsentieren. Daher freuen wir uns über Ihre Anregungen und Hinweise.

Feedback