Giuseppe Longhi, Stecher
nach Raffael, eigentlich Raffaello Santi oder Sanzio, Maler, Erfinder
Luigi Bardi, Drucker

Die Vermählung Mariens (nach dem Gemälde Lo Sposalizio), 1820

Dieser großformatige, Kaiser Franz I. gewidmete Kupferstich nach dem berühmten, als Lo Sposalizio bekannten Gemälde von Raffael aus dessen Frühwerk – für die Kirche San Francesco in Città di Castello gemalt und seit 1815 in der Gemäldegalerie der Accademia di Brera in Mailand (Anm. 1) – wurde 1820 von dem Verleger Luigi Bardi in Florenz veröffentlicht. Der 1818/19 entstandene Stich Giuseppe Longhis beruht auf seiner eigenen Vorzeichnung, die er schon 1809 vor dem Original in Città di Castello in neun Monaten angefertigt hatte und die er später an Giovanni Welten für einen hohen Preis („per somma rilevante“) (Anm. 2) in Karlsruhe verkaufte. Vermutet wurde verschiedentlich, dass einige Schüler wie Faustino Anderloni, Carlo della Rocca und Giuseppe Marri Longhi partiell bei der Ausführung unterstützten. (Anm. 3)
Der detailgenaue Stich Longhis wurde von den Zeitgenossen hoch gelobt, so schrieb der Longhi-Schüler und dessen Biograph, Giuseppe Beretta, 1837, dass der Stich ein regelrechter Triumph des Jahres 1820 für den Künstler war (Anm. 4) und noch 1850 schrieb Joseph Heller über Longhi wie folgt: „Man kann die Nadel weder mit mehr Leichtigkeit, noch mit mehr Genialität führen. Mit der trockenen Nadel leistete Longhi Dinge, die an das Wunder grenzen“. (Anm. 5) Erst die nach 1850 mehr und mehr auftretende Reproduktionsfotografie ließ bei allem Lob für Longhis Kunstfertigkeit im Vergleich mit der neuen
Technik nun auch negative Kommentare zu. (Anm. 6) Longhi selbst sah seine Kunst des Kupferstichs keinesfalls als bloßes Handwerk und nicht als Dienerin der Malerei, nur um diese zu verbreiten, sondern er bezeichnete die Kupferstechkunst als die kleine Schwester derselben, die übersetzt und nicht bloß kopiert. (Anm. 7)
In der Hamburger Sammlung gibt es eine weitere zwischen 1829 und 1834 radierte Reproduktionsgraphik des Sposalizio von dem Franzosen Étienne Achille Réveil, die das Motiv lediglich als leicht zu erfassende und kostengünstig zu verbreitende Umrissradierung wiedergibt und dabei bewusst auf alle Tonwerte verzichtet, die Longhi so wichtig gewesen waren und seinen Ruhm ausmachten. (Anm. 8)
Andreas Stolzenburg

LIT (Auswahl): Apell 1880; S. 248, Nr. 3 IV (von VI); Bernini/Pezzini/Massari/
Prosperi Valenti Rodinò 1985, S. 214, Storia della Vergine, Nr. II.2, Abb. S. 758;
Mustari 1996, S. 88–89; Höper 2001, S. 252, Nr. C 5.1 (mit älterer Lit.); Ausst.-
Kat. Monza 2010, S. 29, Nr. 28

1 1504, Öl auf Holz, 170 x 118 cm, Mailand, Pinacoteca di Brera; Meyer zur Capellen 2001, S. 138–141, Nr. 9. Vgl. zu Raffaels Sposalizio ausführlich Traeger 1997, S. 44–49, S. 263–326. Dieses frühe Gemälde fand in der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts erst sehr spät Eingang in den Kult um den Künstler; vgl. das um 1878 entstandene, heute verschollene Gemälde Francesco da Castello besichtigt Raffaels ,Sposalizio’ in der Sakristei von S. Francesco des damals noch jungen Malers Elia Volpi aus Città di Castello, dessen Kunstsammlung sich im Palazzo Davanzati in Florenz befindet; Traeger 1997, S. 277, Abb. 143.
2 Beretta 1837, S. 53.
3 Zu Longhi siehe Beretta 1837; Ausst.-Kat. Monza 2010. Zur Kunstsammlung Longhis, in der sich auch eine damals Raffael zugeschriebene Madonna befand, siehe Veronesi 2011.
4 Beretta 1837, S. 76.
5 Heller 1850, Bd. 2, S. 404; zit. nach Andresen 1873, Bd. 2, S. 75.
6 Gruyer 1869, S. Bd. 2, S. 23, Anm. 2.
7 Longhi 1830, S. 20.
8 Hamburger Kunsthalle, Bibliothek, Inv.-Nr. kb-1904-77-130; aus einem Album mit 151 Umrisslinienradierungen nach Werken Raffaels und seines Kreises; Paris, o. J., Taf. 130.

Details zu diesem Werk

Kupferstich, Nadelschrift 725mm x 493mm (Bild) 810mm x 525mm (Platte) 931mm x 629mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 50007 Sammlung: KK Druckgraphik, Italien, 15.-19. Jh. © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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