Heinrich Dreber (Franz-Dreber)

Landschaftskomposition (Grotte der Egeria?), um 1854

Das Blatt steht zusammen mit Inv. Nr. 47303 in Zusammenhang mit Drebers Gemälde „Landschaft mit Motiven aus dem Tal der Egeria“ (Anm. 1), das er 1854 für Hedwig Salomon vollendet hatte. Die Leipzigerin hatte das Gemälde während ihres ersten Aufenthaltes in Rom im Frühjahr 1852 bestellt, Schöne mutmaßt nach einem bereits vorliegenden Entwurf. Für eine solche Annahme gibt es allerdings keinen Anhaltspunkt, denn erst im Herbst kündigte Dreber den Beginn der Arbeiten an dem Gemälde an (Anm. 2). Erst im November 1854 hat Dreber das Gemälde an die Auftraggeberin nach Leipzig gesandt (Anm. 3).
Über zwei Jahre muss Dreber an dem Entwurf unermüdlich gearbeitet haben, muss ihn immer wieder variiert und verworfen haben. Von Drebers Ringen um die Durchbildung der Details und die Gesamtkomposition zeugt nicht nur sein Brief vom 29. September 1854 an Hedwig Salomon (Anm. 4), sondern auch eine große Anzahl von Kompositionszeichnungen. Neben einer Ölstudie, die sich ehemals im Besitz des mit Dreber befreundeten Architekten Hans Gerhardt in Kassel befand (Anm. 5), erwähnt Schöne als die wichtigste, heute nicht mehr nachweisbare Kompositionsstudie eine durchgeführte, bildmäßig aufgefasste Bleistiftzeichnung, die sich ehemals in Privatbesitz in Baden-Baden befand (Anm. 6). Schöne zufolge war sie dem ausgeführten Gemälde bereits sehr ähnlich, zeigte in der Ferne an die Caracallathermen erinnernde Ruinen und links einen alten Aquädukt und als Staffage einen Lagernden und Knienden, zu denen eine Frau mit einer Last auf dem Kopf hinzutrat. Das Blatt kann allerdings kaum ein unmittelbar dem Gemälde vorangehender Entwurf gewesen sein, zu groß sind die Unterschiede zu den beschriebenen Details – im ausgeführten Gemälde fehlt der Aquädukt, anstatt der Caracalla-Thermen erscheint im Hintergrund ein Tempel und auch die Staffage ist eine gänzlich andere. Es ist daher gut möglich, dass sich Drebers Zeichnung auf eine ähnliche Landschaft – Talmulde an den Caracallathermen – im Städel-Museum in Frankfurt bezieht (Anm. 7).
Auf der zumeist aus Drebers Nachlass zusammengestellten Ausstellung in Berlin 1876 waren eine lavierte Zeichnung (Nr. 11b) und 5 Blätter (Nr. 11a), offensichtlich alle in Bleistift, mit insgesamt dreizehn Entwürfen zum Egeria-Gemälde vertreten8 – ob auch die beiden hier vorgestellten Blätter aus Hamburg zur Ausstellung gehörten, lässt sich nicht mehr feststellen. Sie zeigen aber ebenfalls auf die Recto- und Versoseiten verteilt insgesamt fünf Entwürfe – vier auf Inv. Nr. 47303 recto und verso, und einer auf Inv. Nr. 47306. Sie variieren das Motiv in einer Weise, die keinen Rückschluss auf ihre Stellung im Werkprozess im Sinne einer chronologischen Präferenz zulässt. Vielmehr scheint es so, dass Dreber das Motiv wieder und wieder durchgespielt hat, bis er erst im Gemälde zur endgültigen Lösung gekommen ist. Die Entwürfe zeigen die für die beginnenden 50er Jahre typische Verwendung eines weichen Bleistiftes, die Drebers Wandlung zu einem mehr malerischen Verständnis weg von einer linearen Auffassung aufzeigt. Auf Inv. Nr. 47303 hat er alle Entwürfe mit einer eigenen Rahmung versehen, um sie als vollgültige Kompositionen zu kennzeichnen. Auf den beiden Entwürfen der Rectoseite steht die sich in einer leichten Talmulde befindliche Grotte im Mittelpunkt, variiert werden die Staffage und umgebenden Landschaftsformationen. Auf der Versoseite erscheint in beiden Entwürfen ein ähnlicher Landschaftsausblick, auf dem oberen Entwurf allerdings nur die rechte Seite. Es hat den Anschein, dass Dreber hier die Situation mit dem oberhalb der Grotte stehenden Sarkophag und den Weg dorthin klären wollte. Der untere Entwurf wiederum kommt in der Landschaftsformation dem oberen der Rectoseite am nächsten, doch steht hier ein weiteren Sarkophag als Pendant links im Vordergrund.
Auch Inv. Nr. 47306 beschränkt sich auf die rechte Hälfte der Komposition und variiert nochmals die Staffage, die der Ausführung auf dem oberen Entwurf der Versoseite von Inv. Nr. 47303 am nächsten kommt.
Das von Schöne erwähnte Blatt in München (Anm. 9), von dem er annahm, das es „dem gleichen Gedankenkreis angehört“, gehört dagegen in einen anderen Zusammenhang ebenso wie ein Blatt in Essen (Anm. 10), das die Komposition der Egeria-Landschaft weiterentwickelt. Ein weiterer Entwurf zur Egeria-Landschaft befand sich zuletzt im Kunsthandel (Anm. 11).

Peter Prange


1 Vgl. Schöne 1940, S. 155-156, Nr. 10, Taf. 54, ehemals Besitz Georg Schöne, Berlin.
2 Brief Drebers vom 15. Oktober 1852, vgl. Schöne 1940, S. 155.
3 Brief Drebers vom 21. November 1854, vgl. ebd.
4 „Mehrmals schien es mir als ob nur Stunden oder wenig Tage hinreichen würden, fehlendes zu ergänzen und den Abschluß zu erreichen. Freunde bestärkten mich nach aufrichtiger Meinung in diesem Schein. Doch legte ich wieder Hand an, so erkannte ich zu eigner Überraschung meine Täuschung und wurde zu neuer Anstrengung genöthigt, die ich um so weniger scheute, je mehr ich Ihnen durch erhöhten Grad der Vollendung gerechte Freude zu erzeugen hoffen durfte.“ Zitiert nach Schöne 1940, S. 132.
5 Tal der Egeria, Öl auf Leinwand, 27 x 46 cm, vgl. Schöne 1940, S. 156, Nr. 10 a.
6 Tal der Egeria, Bleistift, 157 x 236 mm (Einfassungslinie der Zeichnung), signiert unten rechts: „Franz Dreber f.“, ehemals Besitz Frau Tachard-Grunelius, vgl. Schöne 1940, S. 155.
7 Talmulde an den Caracallathermen, Frankfurt am Main, Städel-Museum, Inv. Nr. 1171, vgl. Schöne 1940, S. 156, Nr. 12, Taf. 56.
8 Ausstellung von Werken des Landschaftsmalers Heinrich Franz-Dreber, Ausst.-Kat. Königliche National-Galerie Berlin, Berlin 1876, S. 8, Nr. 11 a und Nr. 11 B, vgl. auch Schöne 1040, S. 156.
9 Entwurf zu einer Landschaftskomposition, Bleistift, Staatliche Graphische Sammlung München, Inv. Nr. 1914-131, vgl. Schöne 1940, S. 156.
10 Entwurf zu einer Landschaftskomposition, Bleistift, Feder in Braun, leicht blau aquarelliert, 283 x 451 mm, Folkwang-Museum Essen, Graphische Sammlung, Inv. Nr. C 130, vgl. Kat. Essen, S. 26, Nr. 20, Abb.
11 Entwurf zum Tal der Egeria, Bleistift, 243 x 296 mm, Galerie Gerda Bassenge, Berlin, Auktion 29. November 1996, Nr. 5885.

Details zu diesem Werk

Bleistift 252mm x 259mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 47306 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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