Wilhelm von Kobell

Reiter mit Pferd und Kellnerinnen bei Föhring, um 1827

Nach der Fertigstellung der Schlachtengemälde für Kronprinz Ludwig im Jahr 1815 widmete sich Wilhelm von Kobell vermehrt der Landschaftsmalerei mit den für ihn typischen „Begegnungsbildern“. Meist als Auftragswerke für das Münchner Bürgertum entstanden, zeigen diese Werke vor dem Hintergrund der bayerischen Umgebung wie zufällig wirkende Zusammentreffen von Reitern, Jägern und Trachtengruppen. Dabei liegt der eigentliche Reiz dieser Werke in der seltsam anmutenden Vereinzelung der Figuren, die - obwohl als Gruppe inszeniert - in ihrer Bewegung wie isoliert und erstarrt wirken. Eine wirkliche Kommunikation scheint zwischen den Personen nicht stattzufinden. Vielmehr agieren Mensch und Tier in ihrer jeweiligen Gestik verschlossen und ohne wirklichen Bezug zueinander. Die Darstellung solcher Figurengruppen hat Kobell in zahlreichen Studien mit unterschiedlichsten Protagonisten kombiniert und sich so einen reichen Motivschatz an Staffagefiguren für seine Landschaftsbilder geschaffen. Auch die um 1827 entstandene Studie mit dem Reiter und den beiden Kellnerinnen verbindet Motive, die als Versatzstücke auf anderen Zeichnungen Kobells wiederzufinden sind. Dazu gehören der Reiter mit seinem Handpferd ebenso wie der kleine Hund, von dem der Künstler zahlreiche Einzelstudien anfertigte – allein vier davon befinden sich im Hamburger Kupferstichkabinett (Inv. Nr. 1429-1431b).

Die vorliegende Zeichnung bildet die Vorstudie für das bekannte Aquarell „Terrasse bei Föhring“ (um 1827, Staatliche Graphische Sammlung München). Während auf unserem Blatt zwei Kellnerinnen einen Reiter bedienen, der ihnen zuprostet, bietet dort ein Blumenjunge den beiden Mädchen seine Ware an. Die Föhringer Terrasse gehörte zu den bevorzugten Ausflugszielen der Münchner, "dort und hier lagern sich unsere Künstler, wenn sie ein wahres Bild der würdigen Königsstadt und ihrer nächsten Umgebung erschaffen wollen" (J. von Obernberg: Reisen durch das Königreich Baiern, München 1815, Bd.IV, S.156). In der minutiösen Schilderung der Details, wie den typischen Münchner Kellnerinnentrachten mit den Riegelhauben, und der ruhigen Wiedergabe der sonntäglichen Stimmung zeigt sich Kobells Nähe zum konventionellen Biedermeier seiner Zeit.

P. R.

Das Blatt zeigt die Begegnung zwischen einem Reiter mit Handpferd und zwei Kellnerinnen auf der Terrasse eines bei den Münchnern beliebten Ausfluglokals rechts der Isar bei Föhring. Es war in einem 3/4stündigen Spaziergang durch den Englischen Garten bequem zu erreichen, hier versammelte sich „die schöne Welt Sonntags, Montags und Donnerstags – die Vehringer Tage -“ auf der Terrasse, ein „durch Bäume und einige Lauben beschatteter, ziemlich geräumiger Rasenplatz, der die Aussicht über den Strom, nach dem englischen Garten und der Stadt, und links, als Grenzenhüter der Landschaft, auf die baierischen Hochgebirge gewährt“ (Anm. 1).
Wichmann hat das Blatt aufgrund der Tracht – die Kellnerinnen tragen typische Münchner Kellnerinnentrachten mit Riegelhauben, Gollern (Halsketten) und Kassedln (Miedern) – um 1827 datiert und als Vorstudie zu Kobells bekanntesten Aquarell „Terrasse in Föhring“ (Anm. 2) benannt. Beide Blätter geben eine ähnliche Situation auf einer weiten, ebenen Fläche wieder, zudem erscheint die rechte Kellnerin vom Münchner Aquarell auch auf der Hamburger Zeichnung rechts – hier allerdings in deutlich schlankeren Proportionen.
Beide Blätter geben danach den Ort wieder, ohne allerdings die von Müller beschriebenen Bäume und Lauben. Kobell konzentriert das Geschehen auf den weitläufigen Rasenplatz, auf dem die Figuren – obwohl als Gruppe inszeniert – seltsam vereinzelt wirken. Dies gilt in besonderem Maße für das Münchner Blatt, auf dem der Horizont niedriger liegt, weshalb die Figuren über die Landschaftshorizontale hinausragen, während sie auf der Hamburger Zeichnung bis auf den Reiter unterhalb der Horizontlinie bleiben.
Auf dem Blatt in München dominieren die Kellnerinnen gegenüber dem Blumenverkäufer, auf dem Hamburger entsteht ein umgekehrtes Verhältnis, das aus Kobells „Begegnungsbildern“ bekannt ist. Dazu gehört auch der panoramaartige Blick auf die Landschaft, der bei Kobell zu keinem Freiheits-, sondern zu einem Beherrschungserlebnis wird (Anm. 3). In der freundlichen Begegnung zwischen Kellnerinnen und Reiter, der ihnen zuprostet, bleibt ihm die Aussicht von oben vorbehalten, die die soziale Hierarchie dokumentiert.
Der Platz war auch unter Künstlern nicht nur wegen der Vergnügungen beliebt, er galt auch als idealer Ort, von dem sich „ein wahres Bild der würdigen Königsstadt und ihrer nächsten Umgebung erschaffen“ ließ (Anm. 4). Auf dem Münchner Aquarell ist die Silhouette Münchens mit der Frauenkirche rechts und der Peterskirche zwischen den beiden Kellnerinnen deutlich erkennbar; dies ist auf dem Hamburger Blatt nicht ohne weiteres möglich. Zwar kann kein Zweifel daran bestehen, dass auch hier die Silhouette München den Hintergrund abgibt, doch erscheint hier die Frauenkirche (?) links vom Reiter und die Peterskirche rechts, es sich also um einen Blick aus entgegengesetzter, südlicher Richtung handeln müsste, zumal unklar bleibt, ob im Mittelgrund die Isar dargestellt ist.

Peter Prange

1 Christian Müller: München unter König Maximilian Joseph I. Ein historischer Versuch zu Baierns rechter Würdigung, Bd. 1, Mainz 1816, S. 372-373.
2 Terrasse bei Föhring, Aquarell, 198 x 263 mm, München, Staatliche Graphische Sammlung, Inv. Nr. 1906:146, vgl. Wichmann 1970, S. 465, Nr. 1434, Abb.
3 Vgl. dazu Oskar Bätschmann: Entfernung der Natur. Landschaftsmalerei 1750 – 1920, Köln 1989, S. 82.
4 Joseph von Obernberg: Reisen durch das Königreich Baiern. I. Theil. Der Isarkreis. Vierter Band. II. Heft, München 1817, S. 156.

Details zu diesem Werk

Bleistift, weiß gehöht, auf grauem Papier 196mm x 323mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 41529 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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