Wilhelm von Kobell

Voralpenlandschaft mit Pavillon, um 1817

Beeinflusst durch die neu entdeckte Darstellungsform des Dioramas und des Panoramas, entstanden um 1817 zahlreiche Landschaftsstudien von Wilhelm von Kobell, in denen der begrenzte Bildraum aufgehoben zu sein scheint. Die „Voralpenlandschaft mit Pavillon“ aus dem Jahr 1817 ist eines der schönsten Beispiele für diese Art der stillen Landschaftsstudien, deren Wirkung in der für Kobell so typischen Lichtführung liegt. So gelingt ihm - in Anlehnung an die beleuchtete Ansicht der Guckkästen - mit der gleichmäßigen Ausleuchtung im Vordergrund eine durchgehend intensive Helligkeit seiner Bilder. Im schmalen Querformat ist die langgezogene Gebirgskette in topographischer Genauigkeit wiedergegeben. Dabei ziehen die Busch- und Baumreihen den weiten Blick in die Ferne, während im Vordergrund ein Pavillon seinen tiefen Schatten in die Landschaft schneidet. Mit zarten Linien werden die verschiedenen Ebenen vorgegeben, die sich von den besonnten Feldern bis zum dunklen Saum der Alpen hinziehen. "Seine Zeichenmittel sind jetzt ein fein gespitzter Bleistift und eine ganz leicht aufgetragene Aquarellfarbe, die (...) oft nur wie eine Farbennotiz hinzutritt, da nicht koloristische Gestaltung das Ziel ist" (Lessing 1923, S. 89). Meisterhaft gelingt es Kobell, mit der dünnen Lavierung des Pinsels in zarten Blau-, Grün- und Gelbtönen die Stimmung des reinen Lichts der Morgensonne und die gläserne Klarheit der oberbayerischen Voralpenlandschaft zu erfassen.

P. R.

Lit.: Waldemar Lessing: Wilhelm von Kobell, München 1923, Abb. 49; Waldemar Lessing: Wilhelm von Kobell, hrsg. und eingeleitet v. Ludwig Grote, München 1966, Abb. 60; Deutsche Romantiker. 100 Gemälde und Zeichnungen aus der Hamburger Kunsthalle, Ausst.-Kat. Öffentliche Kunstsammlung Basel, Basel 1949, S. 17, Nr. 10; Wilhelm von Kobell 1766-1853. Gedächtnis-Ausstellung zum 200. Geburtstag des Malers, Ausst.-Kat. Haus der Kunst München, Mannheimer Kunstverein, München 1966, S. 76, Nr. 128; Siegfried Wichmann: Wilhelm von Kobell. Monographie und kritisches Verzeichnis der Werke. Mit Beiträgen von Heinz Bauer, Irmgard Gierl und Rotraud Wrede, München 1970, S. 74, und S. 393, Nr. 1062, Abb.; Klassik und Romantik, Prestel, S. 468, Nr. 368, Tafel S. 161

Das Blatt gehört nach Wichmann in eine Gruppe mehrerer Voralpenlandschaften, die er um 1817 ansetzt (Anm. 1). Zu Recht ist im Katalog der Gedächtnis-Ausstellung 1966 jedoch auch auf den Zusammenhang mit dem Blatt „Die Theresienwiese in München“ hingewiesen worden (Anm. 2), das das 1810/11 entstandene Gemälde „Das erste Pferderennen am 17. Oktober 1810“ vorbereitet (Anm. 3). Auf ihm findet sich ebenfalls die für Kobell in dieser Zeit typische Gleichrangigkeit von Himmels- und Erdzone. Allerdings steht hier die topographisch exakte Wiedergabe der Stadtsilhouette im Vordergrund, die im Gemälde den Hintergrund bildet. Auf dem zarten Hamburger Aquarell tritt dieser Aspekt zugunsten einer klaren Strukturierung der Bildfläche durch Horizontlinien zurück, die aber nicht zu einer Staffellung des Bildraums im Sinne eines kulissenhaften Bildaufbaus führen, sondern diese Grenzen eher verschleifen, wozu nicht unwesentlich die abstrahierende, weil nicht modellierende Aquarellierung beiträgt. Diesem Anliegen liegt auch das langgestreckte Format zugrunde, das den begrenzten Bildraum aufhebt und eine panoramaartige Weitenerstreckung der Landschaft erlaubt.
Bereits Kobells Neffe Franz hatte ähnliche Landschaften geschaffen, in denen die Weite des Blicks bestimmend wird (Anm. 4), doch lässt sich aufgrund der Gleichzeitigkeit beider Werke dessen Einfluss nicht eindeutig bestimmen. Auffallend ist jedoch die gleiche abstrahierende Art – bei Franz als Sepiazeichnungen, bei Wilhelm als Aquarell.

Peter Prange


1 Wichmann 1970, S. 391-393, Nr. 1060-1069.
2 Die Theresienwiese in München, Aquarell über Bleistift, 182 x 347 mm, Wien, Albertina, Inv. Nr. 25356, vgl. Die deutschen und Schweizer Zeichnungen des späten 18. Jahrhunderts, bearbeitet von Maren Gröning und Marie Luise Sternath, Beschreibender Katalog der Handzeichnungen in der Graphischen Sammlung Albertina, Band 9, Wien 1997, S. 125.
3 Das erste Pferderennen am 17. Oktober 1810, Öl auf Leinwand, 77 x 134 cm, München, Stadtmuseum, Inv. Nr. II B/33, vgl. Wichmann 1970, S. 371, Nr. 998, Abb.
4 Franz von Kobell, Voralpenlandschaft, Pinsel in Braun, 152 x 202 mm, München, Städtische Galerie im Lenbachhaus, Inv. Nr. 1740, vgl. Münchner Landschaftsmalerei 1800-1850, Ausst.-Kat. Städtische Galerie im Lenbachhaus, München 1979, S. 225-226, Nr. 70, Abb.

Details zu diesem Werk

Aquarell über Bleistift 174mm x 357mm (Blatt) Hamburger Kunsthalle, Kupferstichkabinett Inv. Nr.: 41509 Sammlung: KK Zeichnungen, Deutschland, 1800-1850 © Hamburger Kunsthalle / bpk Foto: Christoph Irrgang, CC-BY-NC-SA 4.0

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